Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

5 59. Ausgleichende Entschädigung. 543 
Den Eingriffen der rücksichtslosen Unternehmungen und den 
Fällen der übernommenen Gefahr reiht sich endlich noch an die 
Schädigung durch unerlaubte Handlungen. Sie beruhen 
selbstverständlich nie auf dem Willen des Staates, also hier der 
öffentlichen Verwaltung, sondern sind ihrem Wesen nach Sache der 
für ihn handelnden Menschen. Insofern diese aber wieder anzu- 
sehen sind als die Mittel, durch welche die öffentliche Verwaltung 
tätig wird, ist es wiederum diese selbst, die dem Einzelnen den 
Nachteil verursacht. Sie verursacht ihn durch das Fehlgehen 
ihrer Mittel, geradeso wie durch das Funkensprühen ihrer Loko- 
motiven und das Überfliegen ihrer Kugeln. Zum Unterschied von 
den zuletzt betrachteten Schädigungen ist aber diese Möglichkeit 
nicht beschränkt auf einen gewissen Kreis von rücksichtslosen 
Unternehmungen oder von übernommener Gefahr; sie kann, der 
menschlichen Gebrechlichkeit halber, überall auftreten, beim obrig- 
keitlichen Ausspruch wie bei der einfachen Tat. Die wohltätigsten 
Einrichtungen werden dazwischen durch sie entstellt, aus der 
unverfänglichsten Geschäftsbesorgung wird ein Angriff, und was 
geradezu bestimmt ist, nur der Gerechtigkeit zu dienen, wie die 
Justiz und die Polizei, schlägt zu der unbilligsten Schädigung 
um ®", 
die Sache überhaupt auf einmal ins Privatrechtliche umschlagen muß, ist wieder 
nur durch Notstand erklärlich. — R.G. 10. Nov. 1907 (Entsch. LXVII S. 117): 
Ein Bürgermeister in der Rheinprovinz hatte im Auftrag des Untersuchungs- 
richtere Gemälde beschlagnahmt und versandt; dabei kamen sie wegen schlechter 
Verpackung zu Schaden; der Staat haftet; aber diesmal nicht, wie in den vorigen 
Fällen quasi ex contractu, was hier doch ebensogut verwendbar war, sondern nach 
A.G. z. B.G.B. Art. 89 n. 2 gemäß code civil art. 1384 wegen unerlaubter Hand- 
lung seines pr&pose, seines zur Verrichtung Bestellten. — Mit anderem Ergebnis 
0.L.G. Rostock 12. März 1902 (Reger, XXIII S. 299): Einem Schüler des staat- 
lichen Realgymnasiums ist sein Überzieher weggekommen, den er vorschriftsmäßig 
an einen Flurhaken gehängt hatte. Das Gericht erklärt: Schulvertrag ist Dienst- 
vertrag nach B.G.B. $ 611 (!), die Schulbehörde hat die erforderliche Sorgfalt 
geübt, also haftet Fiskus nicht. Dabei wird noch ausgeführt, ein besonderer 
Verwahrungsvertrag bestehe hier nicht: „Die Schulverwaltung stellt lediglich 
einen bestimmten Raum für die Ablegung der Sachen zur Verfügung. Dieselben 
werden ihr nicht übergeben.“ Das würde nach dem Obigen die Entscheidung 
auch vom Standpunkte der öffentlichrechtlichen Entschädigung aus rechtfertigen. 
Aber der „Schulvertrag“ kann uns nun einmal nicht erspart werden! 
37 Hier hat nun die an E.G. z. B.G.B. Art. 77 anschließende Gesetzgebung 
einem Bedürfnis entsprochen. Schädigende Verwaltungsmaßregeln, denen man 
früher nur mit vieler Mühe eine privatrechtliche Seite abgewann, um den Staat 
als Geschäftsherrn für das Delikt seines Beauftragten nach den Regeln des 
bürgerlichen Rechts haftbar zu machen, können jetzt bei ihrer eigenen Öffentlich-
	        
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