59 Das öffentliche Sachenrecht.
Die Enteignungsentschädigung hat ihrer rechtlichen Natur nach
keinerlei Verwandtschaft weder mit vertragsmäßig übernommenen
Schadloshaltungen, noch mit einer Schadensersatzpflicht aus un-
erlaubten Handlungen, von Bereicherungsanspruch gar nicht zu
reden. Sie ist nichts anderes als die besondere Anwendung, aller-
dings zugleich auch die hervorragendste, eines allgemeineren
Billigkeitsgrundsatzes, wonach der einzelne, dem zugunsten
der öffentlichen Verwaltung ein besonderes Opfer zugemutet werden
mußte, von dieser Verwaltung einen Ausgleich in Geld erhalten
soll. Darüber unten $ 53.
Der Anspruch ist öffentlichrechtlicher Natur?”. Er geht
gesetzmäßig und in Übereinstimmung mit den allgemeinen Grund-
sätzen dieser Art von Entschädigung stets gegen den Träger des
Zweiges öffentlicher Verwaltung, für.welchen dem Betroffenen das
besondere Opfer zugemutet worden ist, hier also gegen den Unter-
nehmer, der das Enteignungsverfahren betreibt und für den der Ent-
eignungsausspruch wirkt: Staat, Gemeinde oder beliehener Unter-
nehmer.
Die Regeln für die Gewährung dieser Entschädigung haben
aber bei der Enteignung eine besonders scharfe Ausprägung er-
halten.
Wert nicht, und daß dem Enteigneten der Wert verbleibt, findet in der Ent-
schädigung seinen Ausdruck. So auch G. Meyer-Dochow, D.Verw.R.1S. 232:
„Da aber zur Realisierung des fraglichen Zweckes nur die Sache, nicht auch deren
Wert erforderlich ist, so wird dem Einzelnen der volle Ersatz dieses Wertes ge-
währt“; Layer, Prinz. d. Ent. S. 27: Die Enteignung ist kein Eingriff in das
Vermögen, sondern in die persönliche Freiheit; denn „die Herrschaft
über eine gewisse Summe von Werten bleibt erhalten, nur die individuelle Form,
in welche der freie Wille des Individuums das Kapital gebracht hatte, wird auf-
gehoben, und das Individuum genötigt, sein Kapital in andere Form zu bringen.“
Daraus erklärt sich Layers seltsame Lehre von der Enteignung als einer „Okku-
pation“, die durch die Entschädigungsleistung vollzogen wird (oben Note 6). Aber
mir scheint, wer dem anderen eine Sache wegnimmt, nimmt auch ihren Wert weg;
wenn er Entschädigung leistet, so bedeutet das nicht ein Weniger an der Weg-
nahme, sondern einen Gegenposten.
®’ Das ist für uns selbstverständlich; die „fixe Idee“, daß vermögensrecht-
liche Beziehungen immer auch privatrechtlich seien (Bd. I S. 117 Note 2), wirkt
freilich auch bier noch. Gierke, D. Pr.R. II S. 472, weiß diese privatrechtliche
Natur der Entschädigungsforderung durch die in der vorigen Note erwähnte Lehre
vom Wesen der Enteignung zu rechtfertigen: „sie nimmt den Inhalt des ent-
zogenen Rechts dem Werte nach in sich auf, tritt in jeder Hinsicht an dessen
Stelle und teilt als Surrogat die privatrechtliche Natur des ersetzten Sachenrechts.“
In Wahrheit kommt es hier aber doch nicht auf die Natur des entzogenen Rechts
an, sondern auf die Natur des entziehenden Willensaktes.