Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

$ 56. Die rechtsfähige öffentliche Anstalt. 601 
Innerhalb der so gezogenen Grenzen entfaltet sich nun unser 
Rechtsinstitut wie folgt. 
I. Die Entstehung der rechtsfähigen öffentlichen Anstalt 
erfolgt immer im Zusammenhang mit einem bestimmten öffent- 
lichen Gemeinwesen, das dabei beteiligt erscheint. Denn 
alle Geschäfte der Öffentlichen Verwaltung sind von vornherein 
irgendeinem dieser Gemeinwesen zugewiesen als zu seiner all- 
gemeinen gesetzlichen Zuständigkeit gehörig. An der Spitze steht 
der Staat, darunter die Selbstverwaltungskörper der verschiedenen 
Stufen: Ortsgemeinde, Kreis, Provinz. Die letzteren haben 
jede ihren mehr oder weniger umfassenden Kreis von Angelegen- 
heiten, zu deren Besorgung sie berufen ist; dem Staat gehört 
alles, was nicht in solcher Weise zu ausschließlicher Zuständigkeit 
weiter vergeben ist. Die Anstalt würde also, je nach ihrem Gegen- 
stand, wenn sie ins Leben tritt, dem einen oder anderen dieser 
Gemeinwesen als ein Stück der ihm zustehenden Verwaltungs- 
tätigkeit angehören, als Staatsanstalt, Provinzial-, Kreis-, Gemeinde- 
anstalt, — wäre sie nicht eben mit einer besonderen juristischen 
Person ausgestattet worden. Das dadurch bezeichnete Gemein- 
wesen- nimmt dann der rechtsfähigen Anstalt gegenüber die Stellung 
des ursprünglich Berechtigten ein, es ist, wie wir das oben $ 55, 
III n. 2 bezeichneten, für jene das Muttergemeinwesen, und 
das hat Folgen für ibre rechtlichen Beziehungen. 
Es wird schon bei der Entstehung der rechtsfähigen Öffent- 
lichen Anstalt wirksam. Die Entstehung selbst kann aber auf 
zweierlei Weise vor sich gehen. 
1. Der ordentliche Fall für das heutige Recht ist die Ent- 
stehung durch Abzweigung der Anstalt aus der Fülle der Zu- 
ständigkeiten des beteiligten Gemeinwesens (vgl. oben $ 55, III n. 2). 
635 u. 647. Diesen Verband findet sie durch „eine organische Einrichtung, ver- 
möge deren fort und fort Menschen diesem Willen (dem ‚eingestifteten‘) dienstbar 
werden“. Der „dienstbare“ Mensch ist der Anstaltsverwalter; „fort und fort“ 
heißt es, weil immer wieder ein neuer ernannt wird. Also ein sukzessiver Ver- 
band, wie ihn der Amtsrichter mit seinen Vorgängern und Nachfolgern bildet. 
Bernatzik, in Arch. f. öff. R. V S. 241 ff., hat diesen Verbandsbegriff über- 
nommen: „Wenn in einer Mehrheit von gleichzeitig oder nacheinander 
tätigen Menschen die Verfolgung eines Gesamtzweckes als bindende Norm an- 
erkannt wird... Ein derartiger menschlicher Verband ... ist ein Gemeinwesen“ 
(8. 242). Das Gemeinwesen kann auch eine Anstalt oder Stiftung sein, auch diese 
haben „Genossen“ (S. 250 u. 251). Das sind wahrscheinlich „dienstbare“ Genossen, 
vielleicht auch Destinatäre? Die Begriffe „Verband“ und „Genosse“ würden nach 
unserer Auffassung in keinem Falle zutreffen.
	        
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