Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

3 56. Die rechtsfähige öffentliche Anstalt, 609 
— Sodann beanspruchen eine Sonderstellung die Universi- 
tätem. Sie sind von Haus aus kirchliche Veranstaltungen mit 
eigener juristischer Persönlichkeit. Diese juristische Person ist 
aber, entsprechend der kanonistischen Person überhaupt, als Kor- 
poration gedacht, demnach aufgebaut auf der Grundlage eines 
Vereins. Vereinsmitglieder sind die Professoren !®. 
Im Verfolg der großen Verweltlichung der Kultur- und Wohl- 
fahrtsanstalten wurden die Universitäten Staatsanstalten, die Pro- 
fessoren Staatsbeamte. Die Universitäten behielten Rechtsfähig- 
keit und eigenes Vermögen, an dessen Verwaltung nach wie vor 
die Professoren beteiligt sind. Theoretisch wurden die Universi- 
täten aber auch nach wie vor als Körperschaften angesehen. Und 
die praktische Gestalt des Verhältnisses entsprach der Art, wie der 
Polizeistaat überhaupt derartige Einrichtungen sich zurechtlegte: 
öffentliche Staatsanstalt, ausgestattet mit einer besonderen privat- 
rechtlichen Persönlichkeit nach Art eines Fiskus, deren Vermögens- 
verwaltung durch die Professoren in ihrer Eigenschaft als Beamte 
jener Staatsanstalt geführt wird !, 
Die Neuzeit hätte nun hier, wie überall, die einheitliche 
juristische Person des Öffentlichen Rechts herstellen müssen, der 
die Anstalt (das Unternehmen) und das dafür bestimmte Vermögen 
gleichmäßig gehört. Allein das ist hier nicht so zur Durchführung 
gelangt. Es liegt wohl weniger an dem nicht zu leugnenden kon- 
servativen Zug, der den Universitäten eigen ist, als vielmehr daran, 
daß sie sehr viel kostspieligere Unternehmungen geworden sind, 
die regelmäßig mit ihren alten Stiftungsmitteln nicht entfernt 
ausreichen. Der Staat hilft wohl, aber nicht in der Weise, daß 
er diese Mittel entsprechend verstärkt, sondern so, daß er den 
wichtigsten Teil des Gesamtaufwandes ständig zur Deckung aus 
seinen allgemeinen Kassen übernimmt und ihn durch seinen regel- 
mäßigen Staatshaushalt laufen läßt. Das eigene Vermögen der 
Universität dient nur noch zu Beiträgen für die Gehälter und zu 
allerlei Sonderzwecken, namentlich stiftungsgemäßer Stipendien- 
16 Vgl.oben Note 10 u. 11. Hinschius, Kirchen-R. IV S. 140ff; Paulsen, 
in Hist. Ztschft. XLV S. 283 ff.; Friedberg, Kirchen-R. S. 546 ff. 
1? Für die Rezeptionszeit Gierke, Gen.R. III S. 818 Note 193: „Es wird 
bei den Universitäten mehr und mehr der Begriff der juristischen Person ver- 
mögensrechtlich aufgefaßt und in den Begriff eines fiscus verselbständigt.“ — A. L.R. 
U, 12 $1: „Universitäten sind Veranstaltungen des Staates.“ $ 67 „Universitäten 
haben alle Rechte privilegierter Korporationen“. Demgemäß auch stellen sie nach 
U, 6 8 81 „in den Geschäften des bürgerlichen Lebens eine moralische Person 
vor“. Vgl. oben $ 55 Note 13. 
Binding, Handbuch. VI.2: Otto Mayer, Verwaltungsrecht. II. 2. Aufl. 39
	        
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