618 Die rechtsfähigen Verwaltungen.
In dieser Gestalt ist die öffentliche Genossenschaft ein Gebilde
des neuzeitlichen öffentlichen Rechts. Gleiche oder ähnliche Be-
dürfnisse befriedigte die ältere Zeit durch die natürlichen Zu-
sammenschlüsse, welche gemeinsame Not oder gemeinsame
Bestrebungen von selbst erzeugten; die Obrigkeit half vielleicht
dazu; suchte vor allem Auswüchse zu beseitigen. In der Haupt-
sache waren es wildwachsende Einrichtungen, zu welchen man sich
verbunden fand: Deichverbände, Zünfte, Wegeverbände, Schul-
sozietäten. Der Polizeistaat kam darüber auf seine Art, ließ alle
selbständigeren Regungen verkümmern und machte, soweit ihm die
Angelegenheit beachtlich schien, obrigkeitlich geleitete Lasten-
verbände daraus, passive Verbände, wie man es wohl genannt
hat, manchmal. mit einer Art Fiskus daneben, um das Geld zu-
sammenzuhalten®. Im Gegensatze dazu weckt ja der Staat der Gegen-
wart auch für solche besondere Angelegenheiten, deren er sich als
öffentlicher angenommen hatte, überall, wo es sich machen läßt,
eigenes Leben und eigenes Recht derer, die es am nächsten
angeht. Das Ergebnis ist auf diesem Gebiete die Erhebung jener
nebengeordneten juristischen Person zur Trägerin des Öffentlichen
Unternehmens selbst und die Anerkennung des Rechts der Be-
teiligten als verfassungsmäßiger Mitglieder der neuen öffentlich-
Korporation macht, wird auch bei der Genossenschaft wieder störend bemerkbar.
Danach sollen hier die Mitglieder des Vereins dadurch gekennzeichnet sein, daß
ihnen die Vorteile aus den Leistungen des Unternehmens zugute kommen, daß sie
seine Genußdestinatäre sind. So E. Mayer in Wörterb. d. V.R. I S. 863: Der
Gegensatz der Korporation und der Stiftung (Anstaltspersönlichkeit) beruht einfach
darauf, daß bei jener „Verwalter und Destinatär zusammenfällt, bei der Stiftung
nicht“. Ähnlich Meurer, Die jurist. Pers. 8.34. Rosin, Öff. Gen. 8. 60, kommt
auf diesem Wege zu dem Schluß, daß bei den Krankenkassen nur. die versicherten
Arbeiter als Mitglieder der Genossenschaft anzusehen sind, nicht aber auch die
Arbeitgeber, und zwar wegen „ihres verschiedenartigen Interessenstandpunktes“.
Die Arbeitgeber allerdings sind keine „Genußdestinatäre“; sie kriegen nichts aus
der Kasse. Wenn sie aber deshalb nicht Mitglieder sind, dann hat die Berufs-
genossenschaft überhaupt keine Mitglieder. Allein hier kann doch nicht der
materielle Vorteil allein der entscheidende Standpunkt sein. Das Unternehmen
dient meinen Zwecken nicht bloß, wenn ich Geld damit verdiene, sondern auch
wenn meinen, freiwillig anerkannten oder auferlegten, sozialen Pflichten dadurch
Erfüllung bereitet wird oder wenn es meinem Wohltätigkeitssinn, meinen wissen-
schaftlichen, kirchlichen, standesbewußten, vaterländischen Bestrebungen dienlich
sein will. Wir können sagen: es ist immer defür anzusehen, daß es meinen
Zwecken dient, wenn ich Mitglied des Vereins bin, der es betreibt; sonst wäre
ich nicht Mitglied,
® Über diesen Entwicklungsgang vgl. oben $. 415 fi.