$ 3. Wirkungen der Enteignung. 57
setzt mit Vorbehalt des ordentlichen Rechtswegs für beide Be-
teiligte ®®,
Das Verfahren würde sich naturgemäß so abwickeln, daß zu-
nächst die Enteignung ausgesprochen wird, woran sich die Besitz-
einweisung schließt; mit ersterem schon entsteht der Entschädigungs-
eanspruch, und der ist nun festzusetzen.
Allein die folgerichtige Abwicklung wird hier durchkreuzt,
indem die Gesetze zugunsten des Enteigneten besondere Schutz-
vorkehrungen treffen wollten und zu diesem Zwecke Hemmungen
eingeschaltet sind in das Verfahren.
Den Ausgangspunkt bildet der Art. 47 der Erklärung der
Menschenrechte vom 26. August 1789. Danach darf die Enteignung
nur geschehen unter der Bedingung vorgängiger Entschädigung.
Mißtrauen in die Zahlungsfähigkeit des Unternehmers und, wenn
e8 der Staat selbst ist, gegen welchen ja die Zwangsvollstreckung
versagt, in den guten Willen der Verwaltungsbehörden, welche die
Zahlung zu besorgen haben, sprechen aus dieser Vorschrift. Die
deutschen Verfassungen haben sie nachgeahmt®”. Auf diese Weise
wird ein Druck auf den Unternehmer ausgeübt: sein eigener
Vorteil verbietet ihm, die Entschädigungsfrage hinauszuziehen, da
er das Grundstück nicht zu seiner Verfügung bekommt, bevor sie
erledigt ist.
Die Enteignungsgesetze zeigen aber verschiedene Arten der
Ausführung jenes leitenden Gedankens: die Hemmung kann in dem
Verfahren bald früher, bald später einsetzen, um den Erfolg zu
erreichen,
Am weitesten gehen die Gesetze, welche den Enteignungs-
nn,
* Pr. Ent.Ges. 8$ 24 u. 30; Bayr. Ent.Ges. Art. 20 u. 21; Sächs. Ent.Ges.
s$ 32 u. 39; Württ. Ent.Ges. Art. 36 u. 37; Bad. Ent.Ges. $ 36 (statt des
Ministeriums, das die Enteignungsbehörde ist, spricht der es vertretende Landes-
kommissar mit „sachkundigen Beisitzern“), $ 45. — Bedeutet die badische Ein-
richtung eine Nachbildung des Schöffengerichts, so überläßt Franz. Ent.Ges. v.
3. Mai 1841 Art. 29. und Els.-Lothr. Ges. v. 20. Juni 1887 $ 1 die Festsetzung
der Entschädigung sofort und endgültig einer Geschworenenbank. Das pflegt eine
große Freigebigkeit zur Folge zu haben. R.G. 9. Nov. 1915 (Jur. Wochenschr.
1916 8.327) will jetzt diese Einrichtung für rechtsungültig erklären, da die Fest-
setzung der Entschädigung eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit bedeute,
die den ordentlichen Gerichten nach G.V.G. $ 13 so nicht entzogen werden könne.
Des scheint mir aber eine arge Verkennung der rechtlichen Natur des Entschädigungs-
0 8 0 zu sein. Dagegen mit Recht Hartmann in Jur. Ztschft. f. Els.-Lothr.
. ff
*" Pr. Verf, Art. 9; Bayr. Verf. Tit. IV $ 8; Sächs. Verf. $ 31 (etwas ab-
geschwächt); Württ. Verf. $ 80; Bad. Verf. $ 14 Abs. 4.