$ 58. Die Gemeinde. 637
Wie das Gebiet völkerrechtlich die Leiblichkeit des Staates
darstellt, in der er verletzt werden kann, so gehört auch das
Gemeindegebiet zum verwaltungsrechtlichen Dasein der Ge-
meinde als ein allgemeiner Bestandteil des ganzen Kreises Öffent-
licher Verwaltung, für welchen sie die juristische Person des
‚öffentlichen Rechts, der Verwaltungskörper sein soll®.
— Die Gemeinde hat, im Gegensatze zur Öffentlichen Genossen-
schaft, ihre Mitglieder nicht in einem Verein um sich ver-
sammelt, dem man durch Rechtsgeschäft freiwillig beitritt oder
kraft Gesetzes nach dem Merkmal eines besonderen Zusammen-
hanges mit dem Vereinszwecke anzugehören gezwungen wird”.
Wie ihr Gebiet eine Unterabteilung des Staatsgebietes, so ist ihre
Mitgliederschaft von Haus aus gedacht als eine danach bestimmte
Unterabteilung des Staatsvolkes. Das Staatsvolk aber ist die
fließende, im wesentlichen durch Geburt und Tod sich natürlich
erneuernde Menschengemeinschaft, für welche der Staat da ist.
Die Mitgliederschaft der Gemeinde ist in gleicher Weise, also
volksmäßig gestaltet. Nur bildet hier den Maßstab für die
Zuteilung als Mitglied an die einzelnen Gemeinden schlechthin
die Gebietsangehörigkeit, also der Wohnsitz auf dem
Gemeindegebiet. Auch dieser Wohnsitz ist, wie die Staatsangehörig-
keit, zunächst das lirgebnis von familienrechtlichen Zusammen-
als Subjektes. Das folgt logisch daraus, daß seßhafte Menschen seine Mitglieder
sind ... (S. 398), ist aber zweitens räumliche Grundlage der Herrschafts-
entfaltung über sämtliche in dem Staate weilende Menschen, mögen sie seine An-
gehörigen oder Fremde sein“. Ähnlich Haenel, St.R. IS. 142: „Das Gebiet
hat für sie (die Gemeinde) nicht allein die Bedeutung, die es sonst überall nur
besitzt, den örtlichen Sitz der Tätigkeit und die örtliche Abgrenzung und Gliede-
rung der durch einen sonstigen Gemeinzweck verbundenen Genossen zu be-
zeichnen, sondern es ist die zur Begründung der korporativen Herrschaft über
die auf ihm weilenden an sich und schlechthin zureichende Tatsache“.
© Deshalb hat man: für die Gemeinde wie für den Staat den gemeinsamen
Namen Gebietskörperschaft aufgebracht: Gierke, Genossensch.R. II
S. 870 ff.; Preuß, Gem., Staat, Reich als Gebietskörpersch. S. 261; Haenel in
Arch. f. öff. R. V S.464; ders., St.R.IS. 142; Rosin, Öff. Genossensch. $. 42 ff.;
Jellinek, Allg. St.L. S. 183 u. 408; Schoen, R. d. Kom.Verb. in Pr. $. 13. —
Dementsprechend würde dann die öffentliche Genossenschaft als Vereins-
körperschaft zu bezeichnen sein. ,
? Weil diese Hauptsache fehlt, geht es auch nicht an, die Gemeinde, ge-
wissermaßen auf dem Vergleichswege, wenigstens eine Gebietsgenossen-
schaft nennen zu wollen, wie Preuß, Gem., St., Reich S. 241 f., tut. Gierke
selbst unterscheidet hier wohl. Er nennt (Genossensch.R. II S. 865 f.) Staat und
Gemeinde „mehr als bloße Genossenschaften“. Sie sind aber nicht bloß mehr,
sondern etwas ganz wesentlich anderes.