650 Die rechtsfähigen Verwaltungen.
St.R. I S. 137, betonen, wenn er sagt: es handle sich nicht mehr um einen über-
tragenen Wirkungskreis, wenn der Staat sich zwar des Personals des Selbst-
verwaltungskörpers bediene, aber „unabhängig von den Vorschriften der korpora-
tiven Verfassung über die Ordnung, die Kompetenzen, Beratungs- und Beschluß-
formen der korporativen Organe“, weil dann nicht „der korporative Verband als
solcher“ in rechtlichen Betracht komme, sondern „nur seine einzelnen Elemente“.
Das könnte mißverstanden werden. Was ausgeschlossen werden soll, ist der Fall,
wo der Staat sich für das Gebiet des Selbstverwaltungskörpers und aus dessen
Bevölkerung heraus eigene Ehrenämter bestellt (Steuereinschätzungsausschüsse).
Haenel spricht S. 138 selbst von einer „Laienverwaltung“ (= staatliche Ver-
waltung im Ehrenamt), um die es sich handle. Das ist dann natürlich kein über-
tragener Wirkungskreis der Gemeinde, sondern einfach eigener Wirkungskreis des
Staates, für den er unmittelbar tätig ist und mit eigenen Mitteln; denn jene
„Laienbeamten“ gehören ihm. Aber da trifft es ja auch gar nicht zu, daß er
sich des „Personals“ des Selbstverwaltungskörpers bediente. Wo er das wirklich
tut, stellt sich sofort auch dar, was man den übertragenen Wirkungskreis nennt.
Damit wird eben auch die Gemeinde selbst in Anspruch genommen. Das ist ver-
kannt worden bei Gierke in Holtzendorff, Rechtslex. II S. 51, Rosin, in
Annalen 1883 S. 294, Schoen, Kom.Verb. S. 15.
Den wichtigsten Fall des übertragenen Wirkungskreises bildet die Orts-
polizei. Der Grundgedanke ist, wie der Name sagt, auch hier, daß es sich um
Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft handelt. Gierke drückt das etwas
übertrieben aus, wenn er sagt: die Ortspolizei sei ein „natürliches Recht“ der
Gemeinde. Die Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit der Durchführung ist hier,
wie bei der Justiz, dem Staate viel zu wichtig, als daß er die Sache ganz aus der
Hand geben sollte. So kommt es zu dem Mittelweg: der Staat läßt sie als seine
Angelegenheit durch die Gemeinde handhaben und durch deren Beamte. Die
nicht zu entbehrende genauere Ausscheidung — aus dem Begriff ergibt sich ja
keine Grenzlinie dessen, was als allgemeine und was als örtliche Polizeiangelegen-
heit zu betrachten ist — wird dabei durch ausdrückliche Regelung vorgenommen,
in den Einzelheiten vielleicht auch durch altes Herkommen ergänzt: v. Roenne,
Preuß. St.R. I S. 571 f.; Halbey, Pr. Gem.Verf. S. 659 ff. u. 687 fl.; Foerste-
mann, Preuß. Pol.R. S.75 f.; Seydel, Bayr. St.R. II S. 28ff.; O.M., Sächs.
SUR. 8. 291 ff. — Es ist das nicht mit Naturnotwendigkeit so eingerichtet, Nach
Württ. Verw.Ed. v. 1. März 1822 ist die „Ortspolizei“ als eigene Gemeinde
angelegenheit angesehen. Daneben hat die Gemeinde noch „die Verwaltung der
Landespolizei im Gemeindebezirke“ als „übertragene Funktion“. Für die erstere
haben die staatlichen Behörden nur diejenigen: Einwirkungen zu üben, die ihnen
durch das gesetzlich geregelte Aufsichtsrecht über die Gemeinde besonders zu-
gewiesen sind; für die letztere „haben die Gemeindebehörden den Verfügungen
der im Instanzenzuge vorgesetzten Staatsbehörden Folge zu leisten“: Goe3, Württ.
St.R. 8. 233. Die Ortspolizei behält also hier die allgemeine Bedeutung als der
Teil der Polizei, der der Gemeinde besonders nahesteht; nur steht ihr hier anch
schon ein Stück der übrigen, der Landespolizei, nahe; daher wird diese zum über-
tragenen Wirkungskreise und steigert sich jene zum eigenen. Württemberg hatte
stets viel Berührung mit dem französischen Verwaltungsrecht, das in der Aul-
fassung der Stellung des Bürgermeisters bei Handhabung der police municipale ge-
schwankt hat (0. M., Theorie d. Franz. Verw.R. 8. 63 f.). In der Literatur