$ 59. Das Recht der Vertreterschaft. 661
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Das Recht der Vertreterschaft.
Die rechtsfähige Verwaltung muß, um im Rechtsverkehre
stehen zu können, ausgerüstet werden mit dem dazu nötigen wehr-
haften Willen. Die Verfassung der juristischen Person, auf der
ihr ganzes Dasein beruht, hat insbesondere auch die Ordnung zu
geben für die Art, wie ihr dieser auf dem Wege der Vertretung
beschafft wird, ihre Vertretungsordnung!.
Die Vertretung geschieht stets durch Menschen, weil nur
sie einen rechtlich in Betracht kommenden Willen haben. Die
Verfassung kann die Menschen aber zum Zweck der zu liefernden
Vertretung in verschiedener Weise verwenden: als Ein-
seine, als Versammlungen, als Ausschüsse; ferner als unmittelbar
vertretend oder andere zur Vertretung bestellend oder die recht-
mäßige Vertretung durch andere bedingend durch ihre Zustim-
mung. Dadurch ergeben sich verschiedene Arten von verfassungs-
mäßigen Vertretungseinheiten, die wir in der Darstellung
als Vertreterschaften, Vertretungen oder auch kurzweg als die
Vertreter bezeichnen?. Bei der rechtsfähigen Anstalt wie bei der
ı Vgl. oben $ 55, In. 3.
® Ähnlich Rosin, Arb.Vers. I 9. 685: „Organ eines Verbandes ist eine
physische Person oder eine Mehrheit derselben, welche vermöge ihrer Stellung
innerhalb des Verbandsorganismus dazu berufen ist, den Willen des Verbandes
als solchen zu bilden und zu äußern“. Diese besondere Art von Vertretern be-
zeichneten wir oben $ 55 In. 3 sachlich übereinstimmend als die, welche ver-
fassungsmäßig berufen sind, die juristische Person auszustatten mit dem ihr un-
entbehrlichen wehrhaften Willen. Was ich Mensch nenne, heißt hier physische
Person, und statt Vertreter wird Organ gesetzt. Rosin bemerkt mit Recht, daß
der Ausdruck „Organ“ von unseren Gesetzen auf das häufigste in diesem Sinne
angewendet wird. Er wird aber ebenso auf das häufigste in anderem Sinne an-
gewendet. So ist nach Pr. Landgem.Ord. 8 90 der Gemeindevorsteher das Organ
des Amtsvorstehers, nach Kreis-Ord. $ 50 der Amtsvorsteher das Organ der Amts-
verwaltung im Amtsbezirk, nach $& 76 der Landrat das Organ der Staatsverwaltung
im Kreise. Über die Buntheit, in der der Ausdruck bei unseren Schriftstellern
schillert, vgl. oben y 42 Note 18. Wer sich, wie Rosin, etwas Bestimmtes dabei
denkt, will dadurch einen Zusammenhang markieren mit der Theorie von der
„realen Gesamtpersönlichkeit“, deren vornehmsten Vertreter wir in Gierke zu
sehen haben ($ 55 Note 7). Dieses Lebewesen handelt wie die Einzelperson
durch Organe. Sie werden gebildet durch organische Eingliederung anderer Lebe-
wesen, die ihm einen Teil ihres Willens abgeben als seinen Organwillen, den Rest
behalten als Individualwillen: „das Gemeinwesen besitzt in jedem Organ ein Stück
seiner selbst (Gierke, Genoss.Theorie 8. 614 f., 624 f., 712). Auf dieses innere
Verwachsensein soll sich dann eine selbstverständliche Haftung für das Organ