Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

706 Die rechtsfähigen Verwaltungen. 
Wo das aber zutrifft, wird sich aus der Vorleistungspflicht oder 
ausschließlichen Leistungspflicht, die nach der gegebenen Ordnung 
des Zusammenwirkens dem so Entlasteten oblag, zuguusten dessen, 
der mit seinen Mitteln die Entlastung bewirkte, der öffentlich- 
rechtliche Erstattungsanspruch des Billigkeits- 
rechts ergeben, der auch hier unentbehrlich erscheint. Die 
Rechtsübung bringt ihn mit verschiedenen Begründungsarten zur 
Geltung **. 
4 Die vorwiegende Meinung will auch hier nur bürgerliches Recht sehen: 
Eger, U.W.G. S. 199 ff., und die dort angeführte Rechtsprechung des B.A. f. 
H.W.; Graeffner u. Simm, Das Armenrecht S. 190 ff. Die condictio indebiti 
wurde früher viel genannt, jetzt ist es der Bereicherungsanspruch nach B.G.B. 
$$ 812. Auch mit negotiorum gestio, jetzt B.G.B. $ 687, hat man schon 
zu arbeiten gesucht; dagegen und für $$ 812 ff.: Sächs. O.V.G. 24. Okt. 1906 
(Jahrb. X S. 57 f.). — Dazwischen hinein tritt aber die Frage, ob bürgerliches 
Recht überhaupt anwendbar. Seydel, Bayr. St.R. III S. 126, findet Aushilfe 
auf einem früher gern begangenen Weg: für die Gemeinde, die aus Irrtum an Stelle 
der wirklich verpflichteten Gemeinde Armenhilfe geleistet hat, ist „ein Ersatz- 
anspruch zweifellos begründet“. Dieser Anspruch aber beruht „nicht auf den be- 
sonderen Bestimmungen des Armenrechts, sondern auf allgemeinen Rechtsgrund. 
sätzen, die dem öffentlichen mit dem bürgerlichen Rechte gemeinsam sind“. 
Gewisse allgemeine Ideen sind sicherlich gemeinsam; aber sowie man an bestimmte 
greifbare Rechtsinstitute kommt, sieht man, daß es hüben und drüben sehr ver- 
schieden zugeht; will man das nicht sehen, so hat man sich eben die Sache doch 
eigentlich zivilrechtlich gedacht und nennt sie bloß öffentlichrechtlich, wo sie das 
sein sollte; vgl. oben Bd. I S. 120. Glaessing, in Annalen 1896 S. 46 fi, ist 
der Frage mit all der Ernsthaftigkeit zu Leibe gegangen, die sie verdient, Er be- 
handelt vor allem die Rückforderung von zu Unrecht bezahlten öffentlichen Ab- 
gaben und die Erstattungsansprüche im Armenwesen (8. 116 ff.) und die der Sache 
üblicherweise gegebene Rechtsform einer condictio indebiti, die man Öffentlich- 
rechtlich nennt, obwohl das ganze Privatrecht daran gehängt wird (8. 120 u. 121). 
Abhilfe sucht er in dem gewaltsamen Mittel der Einführung eines eigenen Öffent- 
lichrechtlichen Rechtsinstituts nach dem Muster der restitutio in integrum ($. 30%) 
Diese Neigung zur Diktatur beweist, wie lebhaft die Empfindung eines Notstandes 
ist. — B.A. f. H.W. 11. Mai 1874 (Wohlers, Entsch. IV S. 83) hat sich von 
seiner früheren Übung losgemacht, wonach es unzuständig war zur Entscheidung 
von Erstattungsansprüchen zwischen Armenverbänden, die nicht im U.W.G. selbst 
vorgesehen waren. Die zivilrechtliche Auffassung, die Verwendung der condictio 
indebiti, ließ ja allerdings der Zurückforderung einer zu Unrecht geleisteten Ver- 
gütung nichts von jener „armenrechtlichen“, d. h. öffentlichrechtlichen Natur, 
welche fur die Zuständigkeit des Bundesamtes vorausgesetzt sein sollte. Daher 
schreitet es jetzt, um die Wendung zu rechtfertigen, zu einer anderen Auffassung 
der Rechtsgrundlagen. Es weist den Einwand zurück, wonach der Anspruch nicht 
allein auf die Bestimmung des U.W.G., sondern zugleich auf ein dem Zivilrecht 
angehöriges Element, die irrtümlich geleistete Zahlung einer Nichtschuld gegr ündet 
werde (S. 94): „Dies Bedenken überträgt lediglich zivilrechtliche Anschauunge® 
auf ein Gebiet, welches von dem Zivilrecht unabhängig ist, und wohin sie nicht
	        
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