$ 61. Recht der Staatsaufsicht. 715
sprechung den Verwaltungskörper in Ordnung zu halten. Das
gleiche aber ist der Fall, soweit der Verwaltungskörper, der wie
ein Privater auftritt, den Maßregeln der Polizei unterliegt
wie ein solcher. Die staatliche Polizeibehörde kann zugleich seine
Aufsichtsbehörde sein; aber indem sie Polizei über ihn übt, bringt
sie nicht den besonderen Anteil zur Geltung, den der Staat an ihm
nimmt, sondern die allgemeinen polizeilichen Gesichtspunkte der
Abwehr von Störungen der guten Ordnung des Gemeinwesens, und
zwar grundsätzlich in den gleichen Formen wie gegenüber jeder-
mann. Das ist aber etwas anderes als die Staatsaufsicht, von der
wir hier. handeln, etwas anderes auch als die soeben erwähnte
„Polizeiaufsicht“ über die Polizeiausübung der Gemeinde im über-
tragenen Wirkungskreise !#,
II. Im Gegensatze zu der Aufsicht über Dienstpflichtige und
Beliehene, wo das umfassende Gewaltverhältnis die Einzelheiten ver-
schwinden läßt, bewegt sich unsere Staatsaufsicht, der ein solches
nicht zur Seite steht, in festen, ausgeprägten Rechtsformen®®,
Vor allem und als Grundlage alles weiteren ist ein allgemeines
umfassendes Recht darin enthalten: das Recht der Kenntnis-
nahme von den Dingen, die den Verwaltungskörper und deshalb
auch den Staat angehen. Man bezeichnet das wohl auch als das
Aufsichtsrecht im eigentlichen und engeren Sinne. Insofern diese
Kenntnisnahme in erster Linie eine geistige Tätigkeit auf seiten
des Staates und seiner Leute bedeutet, ist dabei noch nichts in
Frage, was Inhalt eines Rechts wäre. Von einem Rechte der
Kenntnisnahme kann man erst sprechen, sofern zu diesem Zweck
dem der Aufsicht Unterliegenden gewisse Lasten und Gebunden-
heiten auferlegt sein sollen. Das wird aber in zweierlei Richtung
der Fall sein:
14 In dem oben Note 12 angeführten Falle O.V.G. 17. Juni 1904 (Entsch.
XLV.8. 103) wurde erkannt, daß es sich hier um eine rein polizeiliche Maßregel
gegen die Gemeinde handle, also um keine Art von Aufsicht: „Zur Herbeiführung
eines polizeimäßigen Zustandes darf eine Gemeinde, die der Polizei in dieser Hin-
sicht ebenso wie eine Privatperson gegenübersteht, nur durch polizeiliche Verfügung
genötigt werden, im Wege der Kommunal. oder Polizeiaufsicht darf das nicht ge-
schehen“. Die der Aufsicht eigentümliche „Zwangsetatisierung“, die man hier zur
Anwendung bringen wollte, wäre nur zulässig gewesen, wenn es sich um eine
„Polizeikostenlast“ handelte. — Dabei darf uns nicht irre machen, daß wir den
Namen der Polizei auch heute noch, namentlich im Preußischen Rechte, vielfach
verwendet sehen für richtige staatsaufsichtsrechtliche Verfügungen. Beispiele oben
Bd. I S. 234 Note 21.
16 Übersichtlich Gierke, Gen, Theorie 3.658 ff.; Keil, Landgem.Ord. S. 377 fi.