Full text: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Band 6.2. Deutsches Verwaltungsrecht. (2)

726 Die rechtsfähigen Verwaltungen. 
deutschen Rechtsgebieten geübt wird durch das stellvertretende Handeln der Auf. 
sichtsbehörde. Das liegt klar zutage, wenn Zwangsersatzvornahme gewählt wird 
oder „unmittelbarer Zwang“ (einfache Gewaltanwendung) gemäß Ziff. 1 oder Ziff. 3 
des $ 132. Soll aber die Zwangsstrafe zur Anwendung kommen (Ziff. 2), so führt 
erst eine genauere Betrachtung zu dieser Auffassung. Die Zwangsstrafe wird sich 
nämlich nicht gegen den Verwaltungskörper selbst wenden, sondern gegen seine 
Vorstände und Beamten. Das ist nur denkbar so, daß die aufsichtsrechtliche An- 
ordnung, die eigentlich nur dem Verwaltungskörper gälte, auch diesen persönlich 
gegeben wird und sie bindet mit der Kraft der von ihnen geschuldeten Dienst- 
pflicht und mit der Folge des von ihnen zu erduldenden Erfüllungszwanges. 
Die ältere Auffassung ermöglicht sich bei der Gemeinde diese Annahme 
durch den Gedanken des mittelbaren Staatsbeamtentums (vgl. oben Note 37); bei 
der heutigen Stellung der Gemeinde läßt es sich nur erklären als eine Geltend- 
machung ihrer Rechte gegenüber dem Beamten oder, von der anderen Seite her 
betrachtet, der Pflichten des Beamten ihr gegenüber, also ein stellvertretendes 
Handeln der Aufsichtsbehörde. So wird auch $ 100 des Disziplinarges. v. 21. Juli 1852 
zu verstehen sein, wonach unberührt bleibt die Befugnis der Aufsichtsbehörden, 
„Beamte zur Erfüllung ihrer Pflichten anzuhalten“. Unter den Beamten sind 
zweifellos auch Gemeindebeamte begriffen; die Beamtenpflichten bestehen aber 
dann gegenüber der Gemeinde. Preuß, Amtsr. S. 318 ff, gibt im wesentlichen zu- 
treffende Ausführungen über diesen Aufsichtszwang, der sich „prinzipiell gegen die 
Gemeinde richtet und deren Beamte nur mittelbar ergreift, insofern eine Einwirkung 
auf die Gesamtperson durch die Einwirkung auf ihre Organpersonen vermittelt 
wird“. Nur würden wir es umgekehrt ausdrücken: der Zwang ergreift die Beamten 
sehr unmittelbar; die Einwirkung auf diese „Organpersonen“ wird aber vermittelt 
durch eine Einwirkung auf die „Gesamtperson“, indem der Staat sich der ihr ge- 
schuldeten Dienstpflicht bemächtigt. Dadurch wird ja eben bewirkt, daß die’mit 
dieser Dienstpflicht zu besorgenden Angelegenheiten der Gemeinde so besorgt 
werden, wie der Staat will. Auf der Benutzung der Dienstpflicht beruht das Vor- 
gehen des Staates, nicht auf der „Organschaft“. Daß der Zwang, wie Preuß mit 
Recht verlangt, nicht gegen Stadtverordnete geht, wird auf diese Weise such viel 
deutlicher als durch seine Organformel: „Die Aufsichtsmaßregeln richten sich 
prinzipiell gegen die Gemeinde selbst und demgemäß nur gegen diejenigen Organe, 
die den kommunalen Gemeinwillen nach außen repräsentieren“ ($. 30). 
Der Staat übt ja die Zwangsgewalt über die Gemeindebeamten in demselben 
Umfang jetzt noch aus, in welcher er sie ursprünglich als „mittelbarer Dienst- 
herr“ ausübte, gerade soweit wie auch die Disziplinargewalt, also über alle 
Gemeindebeamten, nicht bloß über die „repräsentierenden“. Und andererseits übt 
er diese Gewalt nicht aus über solche, die nicht im öffentlichen Dienstverhältnisse 
zur Gemeinde stehen, namentlich nicht über solche, die für die Gemeinde tätig 
sind nur kraft Mitgliedschaftsrecht, wie die Mitglieder einer Gemeindeversammlung 
oder Gemeindevertretung, auch wenn ihre Beschlüsse nach außen wirken, also 
„Fepräsentieren“. Daher der Aufsichtsbehörde diesen gegenüber auch D 
Preußischem Recht noch besondere Machtmittel gegeben sind, um ihren Willen 
durchzusetzen: Kom.Abg.Ges. $ 78 (oben Note 34); Zust.Ges. $ 19 (unten Note 49). 
Bei den öffentlichen Genossenschaften pflegt den staatlichen Aufsichts- 
behörden eine ganz allgemeine Zwongsgewalt vorbehalten zu sein, um zu bewirken, 
daß alles „nach gesetzlichen und statutarischen Vorschriften“ geht, daß „das Gesetz
	        
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