$ 35. Das öffentliche Eigentum; Begrifti und Umfang. 79
Im Reich und mehr noch in den Territorien, die ja all-
mählich die Führung übernehmen, kommen noch andere Öffentliche
Sachen in Betracht. Größere Straßenzüge entstehen und dazu-
gehörige Verkehrseinrichtungen, Brücken und Fähren. Die Form
des alten Wegerechts wird darauf übertragen. Sie findet ohne
weiteres auch Anwendung auf die Wasserstraßen, schiffbaren Flüsse
und Seen. Man möchte hier vielleicht sofort an landesherr-
liche Sachen denken, die dem Öffentlichen Zweck gewidmet sind.
Allein das kommt später. Zunächst überwiegt noch die ursprüng-
liche Idee der Allmend mit ihren zwei Elementen: dem gemeinen
Nutzen zu dienen bestimmt und von der Obrigkeit überwacht.
3. Diese beiden Elemente bekommen nun auch unter Mit-
wirkung der lebendiger gewordenen Rechtswissenschaft ein
festeres Gepräge.
Die öffentliche Nützlichkeit sucht die Anlehnung an die Ge-
samtheit, an die Gemeinschaft zu bewahren, der die Sache dient;
das kann aber im Fürstenstaat, der dem Volk keine öffentliche
Bedeutung zugesteht, nur zum Ausdruck kommen in dem Vorteil
der vielen einzelnen, im öffentlichen Gebrauch, Gemeingebrauch,
usus publicus. Öffentliche Sachen sind diejenigen, die dem Rechte
des Gemeingebrauchs unterstellt sind,
Gebrauch gewidmeten Gebietsstücken, im Stadtfeld an Wegen und Gewässern‘),
8. 670, 677, 678 Note 105 („Straßen, Plätze, Brücken usw. werden auch oft aus-
drücklich Allmend genannt“). '
1% Auf diesem Gemeingebrauch liegt der Schwerpunkt; das Recht der Obrig-
keit erscheint demgegenüber nur als Zutat, Mittel zum Zweck. So Struve,
Syntagma exerc. 45 thes. 55: Die öffentlichen Wege „spiritum quasi ac vitam
pottus ab usu publico quam ab autoritate principis habere videntur“. Dieselbe
Auffassung bei P. Heiz in Fritsch, Jus fluv. I S. 173 ff.: Der Fürst hat zwar
die Jurisdictio über den öffentlichen Fluß, aber deswegen bleibt dieser doch
„publicum“ und „res populi“, d.h. dem Gemeingebrauch angehörig ; nur in diesem
erscheint jetzt das „Volk“ als berechtigtes Subjekt!
Ein merkwürdiges Wiederaufleben feierten diese Gedanken in dem berühmten
Baseler Schanzenstreit. Um den Anspruch des abgetrennten Kantons Basel-Land
auf Anteil an den Festungswerken der Stadt Basel auszuschließen, wollten Keller
wie Jhering in ihrem Gutachten das Recht des Staates zugunsten des Gemein-
gebrauchs verdrängen. Namentlich Jhering hat das in seiner prächtigen kraft-
vollen Schreibweise aufs deutlichste verkündet: Der eigentlich Berechtigte an Öffent-
lichen Sachen ist niemand anderes als die Vielheit der Rechtssubjekte, welchen
der öffentliche Gebrauch zusteht, das Publikum (Jhering, Der Streit zwischen
Basel-Land und Basel-Stadt 1862 S. 38); das sogenannte Eigentum des Staates
oder der Stadt an res publicae ist nur „die Rückseite des Gemeingebrauchs“, nur
eine Redeweise, um auszudrücken, daß den Angehörigen des Staates oder der Stadt
der Gemeingebrauch zustehe (a. 2.0. S.48). Also ganz Allmend!