80 Das öffentliche Sachenrecht.
Die Aufsicht der Obrigkeit über diese Art Allmend gestaltet
sich jetzt zu einem landesherrlichen Hoheitsrecht, Wegehoheit,
Wasserhoheit. Vermöge dieser Hoheit hat der Fürst das Recht,
Straßen anzulegen und aufzulassen, Flüsse zu regulieren, den öffent-
lichen Gebrauch zu ordnen, die ganze Polizei der Einrichtung zu
handhaben, aber auch Zölle und Abgaben auf die Benutzung zu
legen, letzteres dem Geiste der Zeit gemäß oft schon in den Vorder-
grund geschoben ",
Dieses beides zusammen macht die öffentliche Sache. Die
rechtliche Zugehörigkeit an ein Rechtssubjekt höherer Art ist nach
wie vor nicht vorausgesetzt. Das alte genossenschaftliche Recht
der Gesamtheit war wohl nie als wahres Eigentum angesehen
worden; jetzt ist es natürlich ganz verschwunden. Die neuen
Hoheitsrechte des Landesherrn, Wegehoheit, Wasserhobeit, bedeuten
kein Eigentum. Die öffentliche Sache ist schlechthin anerkannt
als res nullius. Und zwar als beharrliche res nullius, die auch
nicht fähig ist, jemandes Eigentum zu werden oder sonst Gegen-
stand von Sonderrecht zu sein: sie ist res extra commercium,
dem privatrechtlichen, d. h. überhaupt dem rechtlichen Verkehr
entzogen !®,
14 Pütter, Instit. $ 336; Kreittmayr, St.R. $ 16; Häberlin, St.R.
II S. 5 ff. |
15 So die bei Schwab, in Arch. f. civ. Prax. XXX Beil. S. 39 Note 59 fi.,
angeführten Schriftsteller. Vor allem Wesembec bei Fritsch, Jus fluv. I
S. 79: „Publica flumina non sunt in commercio nec alicujus vel proprietate vel
usu, sed jure gentium publicis usibus omnium serviunt, proprietate vero sunt
nullius, quamvis quoad protectionem ad principem spectant“. Hier sind die drei
Dinge deutlich auseinander gehalten: Eigentümer ist niemand; die Sache dient
nach Naturrecht dem usus publicus; der Fürst hat nur die protectio. — Die näm-
liche Konstruktion für die öffentlichen Straßen bei Fritsch, opuscula I, 14, tract.
de regali viarum publicarum jure, cap. III n. 4: „unde earum proprietas nullius
est, usus autem omnium, quam ob causam appellantur publicae; ac propterea
protectio illarum pertinet ad summum principem.“
Das ist ja auch Jherings Auffassung (vgl. oben Note 13); denn der Ge-
meingebrauch bedeutet selbstverständlich kein Eigentum der „Vielheit“, und die
„Rückseite“ etwa, die dem Staate allein zukommt, erst recht nicht. Keller, der
mit Jhering zusammenhält, wird in diesem Punkte besonders deutlich. Er meint
wohl, daß „das Hoheits- oder Polizeirecht, welches ihm (dem Staate) allein zusteht,
alle Befugnisse des Eigentums in sich schließt“ (Erwiderung auf das Gutachten
von Rüttimann 5.7). Allein ein wirkliches Eigentum ist damit durchaus nicht
gemeint: „Also ein reines Hoheitsrecht wird dem ungeteilten Kanton Basel über
die Festungswerke zugeschrieben, folglich jedes Privatrecht, mithin auch das
Eigentum ausgeschlossen, ohne Unterschied zwischen latentem und patentem,
zwischen schlafendem und wachendem, zwischen verdecktem und offenem Eigentum“