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1164. Der Kirchturm zu Siebenlehn.
Nach Th. Schäfer im „Sächs. Volksfreund“, 1880, S. 205.
In Siebenlehn macht der Kirchturm den Einwohnern viel
Schwierigkeiten. Das Städtchen liegt so hoch überm linken Mulden-
ufer, daß sich die Gebäude an den Himmel stoßen. Darum haben sie
dort auch den Kirchturm sehr niedrig gebaut, aber er ist immer noch
zu hoch geraten. Aun müssen die Siebenlehner bei eintretendem
Vollmond allemal die Turmspitze abnehmen, weil der gute Mond
sonst daran hängen bleiben würde.
1165. Einseitige Leute in Sachsen.
Meiche, Sagenbuch der Sächsischen Schweiz, S. 103; Th. Schäfer im
„Sächs. Volksfreund“", 1880, S. 205.
In Waitzdorf bei Hohnstein nisten die Sperlinge nur auf einer
Seite, und wenn dort Schweine geschlachtet werden, brüht man sie
auch nur auf einer Seite. Bloß einseitig aber werden die Plinzen
in Rehnsdorf bei Pulsnitz gebachen. — So spotten die Nachbarn,
weil beide Dörfer nur auf einer Seite der Dorfstraße mit einer
Häuserreihe besetzt sind.
1166. Die ehemalige Stadtmauer von Meustadt.
Nach den Histor. Remarques über die neuesten Sachen in Europa. 8. Woche,
22. Februarij 1701.
Als unsere Städte noch mit Wall und Graben umgeben
waren, da fand sich in dem meißnischen Amte Hohnstein ein kleines
Städtlein, das nach der Volkssage eine große Merkwürdigkeit be-
saß. Es war der Ort Meustadt. Dort hatten sie nämlich eine
Stadtmauer, die nur halb, und zwar im Westen, um die Stadt
herumging. Allein das machte die wackeren Meustädter nicht bange,
denn sie gebrauchten ihre Mauer wie einen Ofenschirm oder eine
spanische Wand. Wenn nämlich von Osten her ein Feind nahte,
so schoben sie einfach ihre Mauer geschwind auf diese Seite und
wehrten sich dahinter, daß es eine Lust war.