— 1018 —
tragen.“ — Tiefe Stille lag auf der Menge: der Hentker schlug
dreimal ans Becken, das einen grellen Ton gab, und der Richter
sprach zu dem Unglücklichen: „Du bist des Schwertes schuldig!“ —
Aicht der Bote, aber die versammelte Menge und selbst der Henker
erschrak vor diesem harten Spruche. Der Bote zog sein Schwert,
hieb seinem Pferde mit einem kräftigen Schlage den Kopf ab und
bat den Richter, ihn auch so zu treffen. Das Sünderglöcklein tönte
von neuem, und ein rascher Hieb trennte seinen Kopf von den
Schultern. „Hab' ich recht gerichtet?“ rief der Henker. „KRecht!“
sprach der Richter. „Aber es war zum letztenmal!“ entgegnete der
Henker, „kein unschuldig Blut soll fürder dieses Schwert beflecken!“
Mit diesen Worten brach er sein Schwert mitten entzwei und be—
grub es mit dem armen Sünder. Dieser aber fand keine Ruhe
im Grabe und macht noch jetzt in der Geisterstunde mit seinem
Roß die Runde um den Galgenberg, beide ohne Kopf, wie manches
Sonntagskind erzählt, das sie gesehen hat.
1239. Sage von der Kapelle am Kapellenberg.
Gräße, Rd. I, Ar. 699; metrisch behandelt von Fr. Rödiger in
„Sagenklänge des obern Vogtlandes. 1847“.
Im Schlosse zu Eger wohnten einst drei wunderschöne Fräulein,
jeglicher Tugend hold und allem Volke bekannt durch ihre Fröm-
migkeit. Sie waren alle drei ernsten Charakters und wollten nichts
von den Freuden der Welt, nichts von Liebe wissen. Anna, Maria-
und Brunhilda waren ihre Namen, die jeder Ritter kannte und
mancher Sänger in lieblichen Liedern feierte, ohne daß die Herzen
der drei Fräulein davon gerührt wurden.
Einst am Tage St. Johannis war nach der feierlichen Messe
ein großes Turnier, zu dem von allen Straßen die Ritter herbei-
zogen und viel Volks versammelt war. Sie wollten die drei ent-
sagenden Fungfrauen durch Tapferkeit zur Bewunderung reizen und
so ihren Bewerbungen geneigt machen. Lange währte das blutige
Lanzenspiel, das den drei Fräulein ein Greuel war, obwohl sie es
mitansehen mußten, und Kuno, ein übermütiger junger Mann,
war Sieger über alle. Stolz schritt er über den Kampfplatz und
verkündete mit starker Stimme, daß, wenn hein anderer käme, ihn