Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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nur einen Blick aus ihren schönen blauen Augen zu erbeuten und 
dafür ihr ganzes Herz ihr vor die Füße zu legen. Doch nur einer 
hatte ihr Herz gewonnen, und sie liebte ihn mit der ganzen Glut, 
welche dem tiefen Gemüte der Frauen eigen ist und welche täglich 
durch den Gedanken, daß man wieder warm und feurig geliebt 
werde, zu immer größeren Flammen angefacht wird. Der Glück— 
liche, der der Reinen Herz gewonnen hatte, war der junge Graf 
Otto von Stubenberg. Er war von Gestalt ein Adonis, braune 
Locken fielen wallend auf seine Schultern herab, und sein Wuchs 
war hoch und schlank wie eine junge Eiche. Sein Auge war 
feurig, denn in ihm wohnte ein wacherer und mutiger Geist, 
der für das Edle entflammt war und in dem mit glühenden 
Zügen eingegraben stand: „Gott und mein Recht!“ — Sein Arm 
war stark, und in allen Gauen des Vogtlandes wußte Reiner so 
gut das Schwert zu schwingen oder die Lanze im Turniere zu 
führen, wußte keiner so gut in den dunklen Forsten den Eber zu 
erlegen oder den Bären darniederzuwerfen, wie Otto von Stuben- 
berg. Sein ganzes Wesen verklärte wie die Sonne die reine, keusche 
Minne, und wie ein Kleinod trug er das Bild Rosamundens in 
seinem Herzen. 
Tag für Tag stellte sich der Jüngling auf dem Schlosse ein, 
und ihre Tage flossen, von Liebe bekränzt, leicht und schnell dahin. 
Zwar waren der Bewerber viele und unter ihnen reichere und an- 
gesehenere Herren als Otto, aber sein edler Sinn bewirkte, daß ihm 
alle freiwillig den Borrang räumten. Aur einer wollte nicht weichen: 
Herr von Römer nennt ihn die Sage, dessen Geschlecht, eines der 
ältesten des Vogtlandes, alle anderen an Reichtum und Glanz über- 
strahlte. Er war zwar auch schön und wohlgewachsen, aber seine 
Seele war schwarz und heimtüchisch. Rosamunde konnte ihn nicht 
lieben, denn nichts war ihr mehr zuwider, als List und Verstellung. 
Lange lebten die beiden Liebenden glücklich im Wonnerausch 
ihrer jungen Seligkeit, und schon sollte in den nächsten Monaten 
die Hochzeit mit allem Glanze der damaligen Zeit gefeiert werden. 
Da erschien eines Tages ein kaiserlichen Herold, alle Ritter auf- 
fordernd, dem Heere des Kaisers zuzuströmen, der übers Meer ziehen 
wolle, um den Ungläubigen das Gelobte Land zu entreißen, das sie 
widerrechtlich im Besitz hätten. Entflammt von Tatenlust eilte die 
Blüte der Ritterschaft herbei und ließ sich das Zeichen des Kreuzes
	        
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