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Abend ward das Bandkett gehalten. Trompeten tönten durch den
Saal, die mit goldenen Weinen gefüllten Becher klangen lustig
aneinander, und alles war voller Freude und Wohlleben. Aur
Rosamunde saß bleich und trübe, denn der Kummer um den Ver—
lorenen nagte an ihrer Seele. Da erschien ein Fremder, ein Pilger.
Aun war es in damaliger Zeit Sitte, daß, wenn ein Pilger zu
einer Hochzeit kam, die Braut ihm ihren Teller reichte. Auch Rosa—
munde stand, als sie die Kunde von dem Pilger vernahm, von
ihrem Sitze auf, um der Sitte Genüge zu tun, der Fremde aber
stand hinter ihr und warf eine Locke auf ihren Teller, den sie in
ihrer Hand hielt. Sie fiel ihm laut schreiend um den Hals:
„Stubenberg! mein Stubenberg!“ — Die Ritter flogen von ihren
Sitzen empor und starrten erstaunt auf das Paar, der Bräutigam
fuhr nach seinem Schwerte und drang auf Otto ein. Dieser aber
hatte mittlerweile den Pilgeranzug abgeworfen, und es begann ein
Kampf auf Tod und Leben um die weinende Rosamunde. Nach
wenig Augenblichen lag Herr von BRömer tot am Boden.
Der Saal, wo der Kampf ausgefochten ward, ist der so-
genannte Fürstensaal im Schlosse Neundorf. MAoch heute sind die
Blutflechen auf dem Boden desselben zu sehen. Zur Nachtzeit will
man oft darin Schwerterklirren und Todesröcheln vernehmen, und
noch zuzeiten soll der Geist des Erstochenen in blutgeflechtem Ge-
wande darin herumgehen.
1242. Sage vom hohen Stein bei Erlbach.
Gräße, Bd. II, Nr. 713.
Auf dem hohen Stein bei Erlbach stand in den Zeiten der
Markomannen ein Fürstenschloß, zu dessen Füßen ein See war.
Theudolinde, die Tochter des Besitzers, sollte an einen anderen
Fürsten verheiratet werden. Sie liebte aber einen Sänger und
hatte mit diesem eine Zusammenkunft, wobei sie belauscht wurden.
Der Vater durchbohrte sie mit seinem Schwerte und schleuderte ihren
Leichnam in den See hinab; der Sänger stellte sich der andringen-
den Schar mit seiner Harfe und seiner Wehr entgegen, bis er, auf
den letzten Felsvorsprung zurüchgedrängt, sich in den See stürzte.
Den Leichnam der Geliebten umschlingend, sprach er einen furcht-