Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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heit Konnte ihm nicht verheimlicht werden; er stieß einen furchtbaren 
Fluch gegen seine hartherzigen Eltern aus und sank in eine tiefe 
Ohnmacht, aus der er nur wieder erwachte, um für immer in 
geistiger Macht zu leben. Seine Eltern überlebten diese furchtbare 
Katastrophe nicht lange, ihr unglüchlicher Sohn ward auf seine 
Lebenszeit in einem Kloster untergebracht, und der Herzog Wratislam 
übergab die Burg Greifenstein als erledigtes Lehen einem andern 
böhmischen Ritter, der sie aber auch nicht lange behielt; denn da 
er mit seinen Nachbarn in beständiger Fehde lebte, vereinigten sich 
dieselben zuletzt gegen ihn und berannten, eroberten und zerstörten 
die Burg. Moch jetzt soll zwischen den Felsen der Geist jenes un- 
glüchlichen Mädchens, ihr zerschmettertes Kind auf den Armen, 
herumirren und den Wanderer durch sein Wehgeschrei erschrechen. 
1249. Der Lätelstein bei Annaberg. 
Gräße, Rd. 1, Ar. 519; novell. beh. v. Fr. Gottschalkh, Deutsche Volks- 
märchen, Leipzig 1856, Bd. II, S. 53 ff.; poetisch bearb. v. Ziehnert, 
S. 62 ff. 
Im Dorfe Frohnau bei Annaberg lebte vor alter Zeit ein 
Steiger, namens Günzer, ein frommer und redlicher Mann. Einst 
kehrte er zur Winterszeit von seinem Tagewerke in der Grube nach 
seiner Wohnung mitten durch den Wald zurück, da trat plötzlich ein 
Mann aus dem Dichicht vor ihn hin und bat ihn, er möge ihm 
doch gestatten, mit in sein Haus zu gehen und daselbst die Nacht 
hinzubringen, weil er sich nicht getraue, im tiefen Schnee und der 
herrschenden Finsternis den Weg weiter zu finden. Zwar gefiel 
dem Steiger weder die Stimme noch das Aussehen des Bittenden, 
allein er hatte Mlitleid mit ihm und gewährte ihm also seinen 
Wunsch. Sie schritten nun stumm nebeneinander bis ins Dorf, als 
sie aber an das Haus Günzers gekommen waren und ihnen die 
Tochter desselben, Katharina, die Tür geöffnet hatte, stieß diese bei 
dem Anblicke des fremden Gastes ein furchtbares Wehgeschrei aus, 
ließ vor Schreckh die Lampe fallen, welche sie in der Hand trug, 
und als der bekümmerte Vater dieselbe wieder angezündet und seine 
in Ohnmacht gefallene Tochter wieder zum Leben gebracht hatte, 
sah er erst, daß jener verschwunden war. Er hatte nun nichts
	        
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