Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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waren abgebrannt und flackerten nur noch wenig; der Mond fiel 
durch die Fensterscheiben in den Saal, er konnte jeden Gegenstand 
erkennen. 
Die Glockenschläge verhallten. Da erhob sich ein Wehen und 
Sausen, das in Gepolter überging; beim Kamine regte es sich; jetzt 
stürzten allmählich ein Bein, ein Arm, ein Kopf und Leib herab, 
rollten weit im Gemach umher und bildeten sich zu einer voll— 
kommenen Menschengestalt aus, die dann im Saale umherging. 
Von neuem knisterte und knackerte es; unzählige menschliche Glied- 
maßen polterten aus dem Kamine herab und fügten sich zu Gestalten 
zusammen, bis auf einmal der Saal gefüllt war. Nicht ohne Angst 
stand der Gast von seinem Ruhelager auf, um zu sehen, was 
noch Kkommen werde, und blickhte stumm auf die wunderbaren Er- 
scheinungen hin. Alsbald bildete sich eine große Tafel inmitten des 
Gemachs, goldene Weingefäße, prachtvolle Pokale und Leuchter, 
nebst kostbaren Gerichten erschienen in einem Augenblicke darauf, 
und nachdem alles geordnet war, nahete einer aus der Gesellschaft 
und lud den Fremden ein, teilzunehmen an dem festlichen Mahle. 
Mit Grauen folgte er der Einladung, ergriff den dargebotenen 
Becher, um zu trinken, und stellte ihn zitternd wieder auf die Tafel 
hin. Das Entsetzen überlief ihn, er schlug ein Kreuz und rief den 
Aamen Jesu, und plötzlich verlöschten die Lichter, es wurde dunkel 
und still im Saale, die ganze nächtliche Tafelgesellschaft war ver— 
schwunden. Bei Tagesanbruch stand aber die Festtafel noch im 
Saale mit allen ihren kostbaren Pokalen, Bechern und Tellern. 
Der Thüringer erkaufte die Burg, gelangte in den Besitz aller 
übrigen Schätze der Geister und hauste lange glücklich auf der 
Funkenburg. 
1258. Der Totenborn zu Leisnig. 
Gräße, Bd. J, Ar. 336; J. Kamprad, Leisnigker Chronika, S. 29; 
poet. beh. bei Segnitz, Bd. II, S. 129. 
In der Vorstadt Meusorge zu Leisnig befindet sich ein schöner 
Quell, der heißt der Totenborn, und zwar aus folgendem Grunde. 
Vor langen Jahren hat sich in seiner Aähe eine vornehme Prinzessin 
aufgehalten, welche eine Liebschaft mit einem Prinzen gehabt hat. 
Die hat sich bisweilen an diesen Brunnen begeben, wo damals
	        
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