— 626 —
wie unzureichend das Brot sein würde, welches er für die wenigen
Pfennige Tagelohn am Abend würde kaufen können. „Ach Gott!“
rief er, die nassen Augen zum Himmel gewendet, „du kannst Großes
tun, o gib mir und den Meinen, daß wir nicht verhungern dürfen!“
Da fielen plötzlich große Stücke einer schönen weißen Masse unter
den Schlägen seiner Hacke aus der Lehmwand hervor. Wie er—
staunte der gute Mann, als er sie genauer betrachtete und sah, daß
sie beim Angreifen zu Mehl wurden, welches gutem Brotmehl an
Ansehen, Gewicht und Geschmack ganz gleich war. Aicht länger
zweifelte er, daß Gott durch diese seltene Masse ihm wunderbar
helfen wolle, lud ohne Säumen seinen Schiebkarren voll solcher
Mehlklumpen und fuhr damit nach Hause. Ehe der Abend kam,
hatte er eine ziemliche Anzahl Brote daraus gebacken, welche sehr
schmackhaft waren und wie Veilchenwurzel dufteten. Bald wurde
die Mär von dem wunderbaren Mehle bekannt, und noch viele
arme Leute in Freiberg und der Umgebung suchten in den Lehm—
gruben nach der belobten weißen Masse, welche sie auch fanden
und zu Brot backen und genießen konnten, nämlich, wenn sie fromm
und gut waren. Denn nur wenn arme rechtschaffene und gottes-
fürchtige Leute das Mehl als eine Gabe Gottes ausgruben und
mit Danksagung verbrauchten, blieb es gutes und brauchbares
Alehl; wenn es aber Spötter und Gottlose in die Hände nahmen,
ward es zu Sand und zu Stein.“
771. Die Wallfahrt zur schönen Marie in Freiberg.
Gräße, Rd. 1, Nr. 272; Moller a. a. O., Bd. II, S. 20 ff.; Peccenstein,
Teil III, S. 15.
Im Jahr 1261 sind die Geißler in großer Zahl in das Land
Mleißen gekommen und auch in die Stadt Freiberg gezogen, wo
Im Schönburgischen heißt ein Berg an der Mulde, dem wüsten
Schlosse Eisenburg gegenüber, wo sich der von Mosel und der von Schön-
fels, die Genossen Kunzens von Kauffungen, in einer Höhle verborgen
hielten, noch jetzt Mehltheuer, weil einmal bei einer Teuerung dort
Mehl aus der Erde hervorgequollen sein soll. (S. Wachter, Glossar.
German. minus, S. 224. Ahnliches bei Kamprad, S. 436, 493; Hormayr,
Taschenb., 1838, S. 257 ff.