Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

— 61 — 
nach Altendorf hinauf. Hier liegt auch der Kirchhof. Auf dem nahe 
dabei und oberhalb des Marktes sich erhebenden Berge, dem 
Kiefericht, stand früher ein Schloß, welches ein Sitz der Birken von 
Duba gewesen sein soll und von dem nicht bloß noch die Wallgräben 
zu sehen sind, sondern wo sich auch heute noch zuweilen eine weiße 
Jungfrau sehen lassen soll, die übrigens niemandem etwas zuleide 
tut (. Nr. 720). Früher lief aber in jeder Nacht um die zwölfte Stunde 
von jenem Schlosse aus durch den Zaukengrund die Stadt entlang 
bis in den Kirnitzschgrund und von da in die Schloßruinen zurück 
ein kohlschwarzer, zottiger Hund mit feurigen Augen, von dem man 
erzählte, daß in dieser Gestalt der Geist eines Freiherrn von Duba 
umgehe, der sich durch seine Unmenschlichkeit, Wollust, Raubsucht 
und Geiz vorzüglich ausgezeichnet habe, aber nachdem er einst bei 
teuerer Zeit die Armen, welche um ein Stückchen Brot gebeten, mit 
Hunden von seinem Schlosse habe weghetzen lassen, plötzlich gestorben, 
in diesen Hund verwandelt und zum ruhelosen Herumirren als 
solcher verdammt worden sei. Da trug es sich nach langen, langen 
Jahren zu, daß eine gewisse Anna Büttner (um 1700—1710), der 
ihr Vater gestorben, dessen einziges geliebtes Kind sie gewesen war, 
gegen Abend auf den Kirchhof ging, um an dem frischen Grabe 
des teuern Verstorbenen zu beten, und von Kummer niedergedrückt 
nicht darauf achtete, daß es immer finsterer ward, so daß sie die 
Mitternachtstunde noch weinend bei den Gräbern der Abgeschiedenen 
fand. Siehe da erschien auf einmal der feurige Hund, aber nicht 
drohend und furchtbar wie sonst, sondern setzte sich still und traurig 
auf einen benachbarten Grabhügel, und das fromme Mädchen, 
welche ahnen mochte, daß diesen verwünschten Geist wohl ein 
größeres Herzeleid als sie selbst drüchen möge, entfloh nicht, sondern 
trat zu ihm hin und streichelte ihn, ja sprach ihm Worte des Trostes 
ein, und siehe der Hund ward ganz freundlich und sprang wedelnd 
um sie herum, lechte ihre Hände und schien ihr aus seinen jetzt 
nicht mehr wild leuchtenden Augen sagen zu wollen, daß ihre Teil- 
nahme ihm die Erlösungsstunde gebracht habe. Soviel ist gewiß, 
seit diesem Tage ist der Hund nicht mehr gesehen worden.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.