Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

V. Gespenster in Menschengestalt. 
Siehe auch Schatzsagen und Romantische Sagen. 
88. Der Köhler von Klingenthal. 
Gräße, Bd. I, Nr. 640; metrisch behandelt von Hager a. a. O., 
H. II, S. 13. 
Vom Kirchhofe zu Klingenthal bis an den naheliegenden Wald 
geht jede Aacht um die zwölfte Stunde ein gespenstiger Schatten, 
eine Leuchte in der Hand. Das Bolk erzählt sich hierüber folgende 
Geschichte. Es soll einst im Dorfe Klingenthal ein Köhler gewohnt 
haben, der jede Nacht von der Seite seiner treuen Hausfrau auf- 
stand, um angeblich im Walde nach seinem Meiler zu sehen. Die 
wahre Ursache war aber, daß er im Busche zu einer dort wohnen- 
den Konkubine schlich. Einst ging er auch in finsterer Nacht, die 
Leuchte in der Hand, den wohlbekannten Weg, da folgte ihm sein 
Weib, die er schlafend glaubte, und warf ihm geradezu sein Ver- 
gehen vor. Er wollte es zwar anfangs leugnen, allein bald gab 
ein Wort das andere, er ward heftig, schlug seine rechtschaffene 
Frau nieder und begab sich zu seinem Kebsweibe. Als er mit 
dieser im besten Kosen begriffen war, öffnete sich plötzlich die Tür 
und sein Weib stürzte herein und traf die Schuldigen auf offener 
Tat. Jetzt halfen keine Vorstellungen mehr, er mißhandelte sie 
abermals und warf sie zur Tür hinaus mit der Drohung, sie in 
den brennenden Miiler zu schleudern, wenn sie ihm wieder zu nahe 
komme. Sie aber verfluchte ihn und rief: „Der Meiler werde dir 
selbst jum Grab, mögest du lebendig verbrennen!“ Des lachte der 
Köhler; als er aber nach seiner Gewohnheit den Meiler erklomm, 
um sich umzuschauen, stürzte dieser plötzlich zusammen und der 
Frevler versank in seinem feurigen Schlund.
	        
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