— 76 —
Kreuz in einen Baum ein, auf einem Stein steht die Jahreszahl
1705, und der alte Stoßdegen des Herrn von Rabe hängt noch
heute unter alten Waffen im Erlbacher Schlosse.
90. Die weiße Frau bei der Tränke am westlichen Abhang
des Kapellenberges.
Gräße, Bd. I, Ar. 701, nach Julius Schanz; metrisch behandelt von
Fr. Rödiger, Sagenklänge des oberen Vogtlands, 1847.
In dem Kloster auf dem Kapellenberg soll einst eine Nonne
gelebt haben, die ein schweres liebes Leid auf dem Herzen trug
und oft bis zur Mitternacht vor dem Altar auf den Knieen lag,
um Vergebung ihrer Sünden zu erflehen. Einst als sie auch im
Gebete lag, flog ein Pfeil durch die Fenster, ihr zum Zeichen des
Stelldichein. Sie konnte auch diesmal nicht widerstehen und
schlich leise durch die Klosterpforte an den Teich hinaus, wohin sie
so oft gewallt, und harrte dort des Buhlen, der sich bald durch die
Zweige Bahn brach. Er fand die Nonne in glühendem Wahnsinn
mit den Fluten sprechen, in welche sie ihr Kind geworfen und
forderte sie auf, das Kloster endlich zu verlassen und sein Weib zu
werden. „Tauche,“ sprach er, „deine Hände in das Wasser und
wasche dein Gesicht damit, so wird dein Herz Ruhe finden. In
des Teufels Namen, wasche dich!“ —
Die Aonne tat, wie ihr geheißen war. Sie behrte nicht
wieder zum Kloster zurüch, sondern floh mit dem eliebten ins
Fichtelgebirge auf die Luchsenburg, woselbst er hauste, und lebte
mit ihm dort ein gottvergessenes Leben. Als aber ihre Sterbestunde
kam, hörte sie eine Stimme rufen: „Am Teich, in dem dein Kindlein
ruht, sollst du dich fort und fort in des Teufels Namen waschen,
bis zum jüngsten Gerichtel“" — So geht denn ihr Geist noch um
bis auf diesen Tag, und mancher hat in stiller Mitternachtsstunde
die weiße Frau gesehen, wie sie am Teiche hinschreitet, und gehört,
wie sie in den Wellen plätschert und ihr Antlitz wäscht. Der Teich
heißt gegenwärtig nur die Tränke, da die Bauern daselbst ihr Bieh
zur Tränke führen, wenn sie auf den Feldern beschäftigt sind.