Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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Kind mitkommen werde, es solle weder ihr noch diesem etwas zu 
Leide geschehen und sie werde so viel finden, daß sie für ihre Leb— 
tage davon genug haben werde. Daher hat sie eines Tages ihre 
Zeit und Gelegenheit abgesehen, ist auf das Geheiß des Gespenstes 
aufgestanden und in die Studierstube gegangen und hat dort so 
lange geharrt, bis die weiße Frau das Knäblein aus seinem 
Bettchen genommen, auf den Arm gehoben und hineingebracht hat, 
welches in der Nacht zwischen 1 und 2 Uhr geschehen ist. Aach- 
dem sich aber mit der Türe ein großes Gerassel erhoben, auch der 
Wachsstoch, den das Gespenst nebst einem langen Briefe, mit 
Mönchsschrift beschrieben, in der rechten Hand gehabt, sehr helle, 
wie wenn des Morgens die Sonne aufgeht, geleuchtet, ist das 
Knäblein gleich darüber aufgewacht und hat dem Gespenste eine 
Ohrfeige nach der anderen gegeben, daß sie es endlich vom Arme 
herabgelassen und mit der linken Hand fortgeführt, weil es nicht 
weiter hat mitgehen wollen. Da denn der ganze Saal zur rechten 
und linken Hand voller schwarzer und weißer Mönche gestanden, 
mitten durch ist ein enger Durchgang geblieben, und haben sich 
auf beiden Seiten Musikanten gefunden, welche mit Geigen, Posaunen 
und Trompeten aufs Lieblichste musiziert, wie solches alle im Hause 
gehört. Als nun das geängstigte Kind samt der Aähterin an die 
Treppe kommt, sieht es daselbst einen großen schwarzen Hund sitzen, 
der eine feurige Zunge aus seinem Rachen rechkt, ist aber davon 
noch mehr erschrocken und fängt an zu schreien: „Ach! Hund beißt, 
Hund beißt!“ worauf es sich aus den Händen des Gespenstes ge- 
rissen und wieder in die Studierstube gelaufen ist. Da nun die 
Aähterin solches gesehen, entfällt ihr der Mut auch, sie kehrt also 
ebenfalls um; allein es ist ihr wie das erste Mlal nicht wohl be- 
kommen, sondern die bösen Geister haben sie bei den Haarzöpfen 
ergriffen, zurüchgezogen und etliche Male wider den Boden gestoßen, 
wobei es ihr vorgekommen ist, als wenn neben ihrem Kopfe lauter 
Pistolen losgeschossen würden. Indem sie nun noch mit großer 
Mühe in die Studierstube gekommen und niedergesunken, nicht 
wissend, wo sie sei, noch wie ihr geschehen, da hat sich das Knäb- 
lein umgewendet, sie bei der Hand genommen und vollends in 
seines Vaters Schlafkammer geführt, wohin die Frauenzimmer aus 
der andern Kammer gelaufen kamen und sie hier zu erquicken 
suchten. Der Superintendent hat nun die ganze Zeit hindurch mit
	        
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