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seiner ganzen Familie und Gesinde morgens und abends seine An—
dacht gehalten, die Nähterin aber, weil sie ihm zum andern Male
nicht gefolgt, wegziehen heißen. Kaum ist sie jedoch fortgewesen,
so hat das Gespenst sich die folgende Nacht darauf in der Kammer,
wo die Aähterin sonst gelegen, mit vernehmlicher Stimme hören
lassen: „Wo Ihr mir die Marie Sabine nicht wieder herschafft, so
will ich auf den dritten Abend im Hause so tournieren, daß Ihr
nicht sollt darinnen bleiben können.“ Worauf der Herr des Hauses,
der solches gehört, geantwortet: „Der Teufel ist ein Lügner, er
wird's auch diesmal bleiben!“ und wirklich ist es in der darauf
folgenden Aacht ganz still geblieben und hat sich seit der Zeit
nichts wieder von dem Spube hören lassen.
151. Ein Gespenft ängstigt einen Wiesenthaler.
Chr. Lehmann, Collectanea, S. 267; auch bei Flader, Wiesenthälisches
Ehrengedächtnis, 1719, S. 97.
Anno 1658 will ein Fleischhacker aus dem Wiesenthal gar frühe
nach Elterlein gehen. Wie er eine halbe Meile heraus in den Wald
auf einen Platz kommt, begegnet ihm ein grausamer Mann mit
feurigen Augen und brennender Zunge in der Gestalt eines ver-
storbenen Bürgers. Der hat eine Kette um sich mit eitel Toten-
köpfen. Dafür erschricht er und kehrt um, und der Mann begleitet
ihn bis in sein Haus, steht stets vor ihm und siehet ihn an, bis
die Wirtin aufsteht und Licht anzündet. Da verschwindet er. Das
hat der Fleischhacker seinem Pfarrer geklaget. Exp.
152. Die Wehklage im Erzgebirge.
Gräße, Bd. I, Nr. 568; Lehmann, Schauplatz, S. 784.
Im Erzgebirge gibt es ein Gespenst, die sogenannte Klagefrau
oder Klagemutter. Diese geht vor das Haus, wo ein Kranker liegt
und fängt an jämmerlich zu heulen; will man nun wissen, ob der-
selbe stirbt oder nicht, so wirft man vor die Türe von oben ein
Tuch herab, das demselben gehört, nimmt jene, die nun zu heulen
aufhört, dasselbe mit fort, so stirbt er, läßt sie es aber liegen, so