Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

— XVI — 
bedürfen, daß solche Sagen in Beine verständige Sammlung ge- 
hören, die ihre Wesenszüge aus den Vorstellungen einer inter- 
nationalen Kultur oder aus gelehrten Einzelstudien nehmen. Denn 
um es nochmals zu wiederholen: die Volkssage soll erkennen 
lassen, was eine Gesamtheit bewegt, und nicht, welche Gedanken 
die Seele eines einzelnen erfüllen. Wenn ein schriftgewandter 
Mann aus dem Volke die abergläubischen Vorstellungen seiner 
Heimat und seiner Zeit um einen wirklichen oder erdachten Vor- 
fall gruppiert, so hat diese voltsmäßige Sage Anspruch auf die 
Beachtung des Forschers. In dieser Weise scheint die Mehrzahl 
der Sagen in dem eingangs erwähnten Büchlein: Aberglaube 
im Erzgebirge vor 50 Jahren, entstanden zu sein. Es ist das 
echtes Sagengut. Und wenn sich beispielsweise vor 120 Jahren 
in Lugau (Erzg.) mehrere Männer verbanden, um unter Anwen- 
dung der im Volke umlaufenden mythischen Anschauungen einem 
leichtgläubigen Bauern den Teufel vorzugaukeln und ihn um sein 
Geld zu betrügen, so hätte ihr Treiben als eine rechte Sage im 
Gedächtnis der Nachkommen fortleben khönnen, wenn nicht ein 
beherzter Begleiter jenes Bauern dem Bösen die Hörner ab- 
geschlagen hätte (siehe Unger, Lugau in alter und neuer Zeit, 
Lugau o. J. I1894], S. 26 ff.). Auf ähnlichen Vorfällen be- 
ruht wohl manche Gespenster= und Schatzsage auch im vor- 
liegenden Buche. (Man vgl. die Anmerkung zu Nr. 339; zu 
Nr. 344 aber die Mitteilung in Schumanns Staats-, Post- 
und Zeitungslexikon, V, S. 629; ferner das „Glückauf!“ XII, 
S. 78 ff. u. a.) 
Wenn dagegen Haupt (Sagenbuch, I, 1) eine Sage von 
Gott Schwabus erzählt, oder Gräße (a. a. O., Nr. 301) von dem 
heiligen Haine des Gottes Schwantewit zu Schmannewitz bei 
Oschatz berichtet, so ist das gelehrte Fabelei, mit der der Volks- 
geist nichts gemein hat. Der Götterhimmel des sächsischen Volkes 
ist sehr dürftig besetzt. 
Wollte man die sinnlose Ableitung des Wortes Dresden 
aus einem pseudoslavischen trasi = Fähre, die noch immer in 
den Köpfen mancher Gebildeten spukt, in der Form der Sage
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.