fullscreen: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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ist dann des Küchenjungen Geist nochmals jenem Knechte erschienen, 
hat ihn aber diesmal nicht gebeten mitzugehen, sondern mit freund— 
lichen Zügen und dem Lächeln der Befriedigung gesagt: „Er liegt 
bei mir, unten bei mir!“ und ist verschwunden. Beim Miederreißen 
des Schlosses fand man unter der Erddecke des Kellerbodens zwei 
menschliche Skelette, ein größeres und ein kleineres, hart neben— 
einander liegend vor. Zwischen den Rippen des kleineren steckte 
festgeklemmt die abgebrochene Klinge eines Küchenmessers. — 
Echte Sonntagskinder, d. h. solche Menschen, welche an einem 
Sonntage geboren und auch an demselben ihrem Geburtstage so— 
gleich getauft worden sind, sehen noch jetzt zuweilen das ehemalige 
Putzkauer Schloß, das den Augen anderer Sterblicher schon längst 
für immer entrückt ist. So gewahrte einst ein derartig begnadeter 
Jüngling, der Sohn des Schäfers von Putzkau, als er um Mitter— 
nacht des Allerseelentages am Neuhofe vorüberging, hellen Kerzen— 
schein aus einem sonst noch nie gesehenen Gemäuer strahlen. Der 
Bursche schlich sich hinan. Es war keine Täuschung: vor seinen 
Augen stand das Schloß, von dem er oft schon hatte erzählen hören. 
Er holte leise eine Leiter aus einem nachbarlichen Garten herbei, 
legte sie an und stieg behutsam hinauf, um von außen in das er— 
leuchtete Gemach zu blicken. Drinnen saßen an einem Tische, auf 
welchem sieben Kerzen brannten, drei vermummte Männer. Ganz 
aus schwarzem Stoffe bestand ihre Kleidung, die selbst den Kopf 
mit dem Gesicht verhüllte und nur für die Augen runde Löcher offen 
ließ. Schweigen herrschte in dem gespenstigen Kreise. Da ging die Tür 
auf, und herein trat eine schneeweißgekleidete, verschleierte Jungfrau, 
der Tracht nach ein Edelfräulein aus längst vergangenen Jahr- 
hunderten. Der mittelste der Vermummten erhob sich und deutete 
auf einen Stuhl, wo die weiße Dame Platz nahm. Noch hatte sich 
kein Laut vernehmen lassen. Es war, als ob eine hochnotpeinliche 
Gerichtsverhandlung der heilige Feme beginnen sollte. In atem- 
loser Spannung lauschte der auf den Sprossen der eiter stehende 
Sonntagsgeborene und mochte seine Augen nicht wegwenden von 
der wunderlieblichen Gestalt der Weißverschleierten. Da fügte es 
der Zufall, daß die schwanke Leiter ein klein wenig seitwärts rutschte 
und ein Geräusch verursachte, welches die drinnen sofort vernahmen. 
Augenblicklich erloschen die Lichter, es ließ sich ein eigentümliches 
Knistern und Knirschen wie von zerbrechendem Holze hören. Dem
	        
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