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täglich wiederholte, und die ganze Stadt in Schrechen setzte, beschloß
ein hochedler Rat, der Sache ein Ende zu machen und die Land—
streicherin, denn dafür hielt man sie, einzufangen. Die Stadtsoldaten,
mehrere Ratsherrn an der Spitze, lauerten ihr auch eines Nachts
auf, sie erschien auch wie gewöhnlich, man rief sie an, allein sie
ließ sich in ihrem Kehren durchaus nicht stören und als man nach
ihr schlug und griff, verschwand ihre Gestalt in Luft. Sie kehrte
aber darauf die nächsten Nächte nach wie vor fort, doch wagte sich
niemand mehr an sie, und so konnte man sie jede Aacht eifrig
kehren sehen, bis am 23. Juli des Jahres 1757 die mit den
Sachsen verbundenen Kaiserlichen die von einigen hundert Preußen
besetzte Stadt auf einmal bombardierten und zum größten Teil in
Asche legten. Eine der ersten Bomben schlug in die St. Johannis-
kirche und zündete, und überall, wo das graue Mütterchen sich
früher hatte sehen lassen, waren glühende Kugeln gefallen und hatten
die Gebäude in Brand gestecht. Während des Brandes aber sah
man eine graue Gestalt über die glühenden Trümmer schweben und
mit einem Besen Wolken von Asche vor sich herfegen. Aun begriff
man die warnende Erscheinung des grauen Mütterchens, aber leider
zu spät. Seitdem schwebt es in der Silvesternacht und am Vorabend
des sogenannten Brandfestes (22. Juli) wie ehedem fegend durch
die Straßen der Stadt und ruft dadurch allen leichtfertigen Bürgern
die Lehre zu: „Seid wachsam und hütet euch, daß das Unglück nicht
noch einmal unerwartet über euch Komme und euch ganz vernichte."“
267. Der gespenstige Lautemann zu Zittau.
Gräße, Bd. II, Ar. 823; Willkomm a. a. O., Bd. I, S. 260 ff.
Zu der Zeit, als noch die Johanneskirche zu Zittau stand,
ließ sich zuweilen ein Franziskanermönch im Glockenstuhl des Turmes
sehen, griff an den Strich, als wolle er die sogenannte Bürger-
oder Biergloche, die abends um 9 Uhr geläutet ward, ziehen, legte
aber jedesmal seine Kutte zuvor ab, als hindere ihn diese bei
seinem Geschäfte. Diese Gelegenheit paßte nun einmal der wirkliche
Lautemann ab. Während er den Alönch mit dem Stricke beschäftigt
sah, nahm er ihm seine abgelegte braune, etwas schadhaft gewordene