Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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Mönchskutte, knöpfte sie sich unter den Rock, und ging höhnisch 
lachend, als er sah, wie der halbnackte Mönch mit wahrer Seelen— 
angst nach derselben suchte, nach Hause. Am nächsten Abend knöpfte 
er die Kutte wieder unter seinen Rock und ging wohlgemut, nur 
etwas früher als sonst, nach der Kirche. Allein sein Mut fiel gewaltig, 
als er schon von weitem die dürre Gestalt des Mönchs erblickte, 
wie sie die Hände rang und die leidenschaftlichsten Gebärden machte. 
Froh, daß ihn der Weg nicht gerade an dem kuttenlosen Geiste 
vorüberführte, eilte er in den Turm, läutete und schlich sich ebenso 
wieder nach Hause, ohne daß ihn die Gestalt verfolgte. Es schien, 
als sei sie in bestimmte Grenzen gebannt, die sie nicht überschreiten 
dürfe. Seit diesem Abend sah der Lautemann den Mönch alle 
Tage immer dieselben flehenden, aber heftigen Gebärden gegen ihn 
machen; allein so unwohl ihm bei diesem Anblick wurde, die Rück— 
gabe der Kutte wagte er nicht, aus Furcht, der geneckte Geist möge 
keinen Spaß verstehen und ihm vielleicht gar den Hals brechen. 
So blieb nun die geisterhafte Mönchskutte im Besitze des Laute- 
manns bis zu dessen Tode, der freilich schon ein Jahr nach dem 
freventlich verübten Raube erfolgte. Denn war es nur Furcht vor 
dem täglich erscheinenden Gespenste, oder war es Seelenangst und 
Folge der Gewissensbisse, die ihm keine Ruhe mehr ließen, der 
Mann fing an zu siechen, wurde schwächer und schwächer und genau 
am Jahrestage des RKuttenraubes starb er mit dem letzten Glocken- 
zuge. Sein Aachfolger konnte sein Amt ungestört verrichten, nur 
am Jahrestage des verübten Frevels erschien fortan der kuttenlose 
Müönch und flehte unter entsetzlichem Händeringen um Rüchgabe 
des dürftigen Gewandes. Da man trotz allen Suchens die geraubte 
Kutte nicht auffinden konnte — der übermütige Mäuber hatte sie 
wahrscheinlich vernichtet —, so verschaffte man sich eine andere und 
legte sie dem flehenden Geiste an den Ort, wo er regelmäßig 
erschien. Die Gestalt hob das Gewand auf und besah es sich von 
allen Seiten, da sie aber bemerkte, daß es nur ein untergeschobenes 
sei, legte sie dasselbe wieder hin und ging unter den kläglichsten 
Gebärden von dannen, und so kehrte sie immer wieder, bis mit dem 
Bombardement der Stadt im Siebenjährigen Kriege der Turm in 
Trümmer sank.
	        
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