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268. Der Malzmönch zu Zittau.
Gräße, Bd. II, Ar. 826. Movellistisch behandelt von Willkomm a. a. O.,
S. 195 ff.
Die alte Stadt Zittau ist von jeher durch ihr Bier weit und
breit berühmt gewesen und war deshalb sonst ziemlich reich an
Brauereien. Gleichwohl ist das von denselben gelieferte und sonst
allenthalben so hoch geschätzte Bier einmal den dortigen Franziskaner—
mönchen nicht gut genug gewesen, sondern dieselben haben es durch
ihren Abt dahin zu bringen gewußt, daß ihnen der Stadtrat
ein besonderes Brauhaus einräumte, eigens vereidete Brauer darin
angestellt und selbst die Brauknechte mit besonderen Instruktionen
und von andern sich abzeichnender Kleidung versehen wurden. Der
Abt ließ nun das dem Kloster eingeräumte Brauhaus auch äußer—
lich als dem Orden angehörig bezeichnen und setzte als Inspektor
desselben einen dicken Mönch, namens Laurentius, ein, der zwar
in allen Dingen einfältig bis zur Dummheit war, allein einen so
feinen Geschmack besaß, daß niemand zu diesem Amte geschickter
war als er. Derselbe besuchte nun die Malzböden der Kloster-
brauerei jeden Tag dreimal und jedesmal schöpfte er mit einem
mäßig großen Becher von schön poliertem Rosenholz, dessen Ent-
stehung niemand Rkannte, eine Hand voll Malzkörner von jedem
Haufen, die er langsam über die Gänge wandelnd bedächtig ver-
zehrte. Schmechte ihm das Malz nicht, so mußte es noch länger
liegen oder mit solchem, das er vortrefflich fand, so lange gemischt
werden, bis es ihm mundete, und erst wenn alles Malz seinem Ge-
schmacke genügte, durfte es in die Pfanne geschüttet und zum Brauen
verwendet werden. Wie mit dem Malze verfuhr er auch mit dem
gebrauten Biere selbst, erst wenn es ihm zusagte, gestattete er die
Auffüllung desselben. So geschah es, daß das Klosterbier bald das
beste in der Stadt ward und jedermann dasselbe haben wollte, die
Stadtbrauereien aber bald keine Abnehmer mehr fanden. Zwar
suchten die Besitzer desselben durch besseres Malz und stärkeren
Hopfen ihr Bier wieder in Aufnahme zu bringen, allein es gelang
ihnen nicht, und so meinten sie denn, die Mönche müßten durch
geheime Künste ihrem Biere den guten Geschmack zu geben ver-
stehen. Aun hatte aber die Tochter des Klosterbrauers einmal ihrem
Geliebten, einem Brauerssohn aus der Stadt, vertraut, daß der