Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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zutrinken. Wie nun unter jungen Leuten solches Zechen selten fried— 
lich endet, so erhob sich auch hier zwischen zweien der Gäste ein 
Streit um ein Glas Bier, indem der eine dem andern nicht mehr 
hat wollen oder können Bescheid tun, bis sie endlich einander nach 
den Köpfen griffen und mit Fäusten also traktierten, daß viel Blut 
geflossen. Da besorgte jener oben erwähnte junge, der ein frommer 
Herr und erst zwanzig Jahre alt gewesen, es möchte mit einem von 
beiden ein schlimmes Ende nehmen, und als sie von neuem wieder 
anfangen wollten, mit den Fäusten zu fechten, ist das gute Gemüt 
dazwischen gesprungen und hat den einen beiseite genommen und 
mit ihm den Weg nach seines Vaters Hause eingeschlagen. Zu 
Hause angekommen, hat der Vater den fremden Gast wohl auf- 
genommen, ihn zur Tafel geladen und mit dem besten Trunke be- 
wirtet. Nachdem sie manch gutes Glas miteinander ausgezecht und 
sich trefflich berauscht hatten, begibt sich der Bater mit dem Gast 
zu Bette, den Sohn aber, der sich einen allzu steifen Rausch an- 
getrunken hatte und mit dem Kopfe auf der Tafel liegend ein- 
geschlafen war, ließ er daselbst zurüch. „Er wird wohl aufwachen 
und sein Bett schon finden", dachte der unbesorgte Bater. Spät 
in der Nacht weckt den berauschten Junker ein seltsames MRauschen 
und Rascheln am Fenster. Das kam von lauter kleinen schwarzen 
spannenlangen Männlein, die zum Fenster hereinsteigend bald das 
ganze Zimmer anfüllten. Der Junker entsetzt sich und will zur 
Türe hinaus, da Kommt ihm plötzlich ein heller Schein entgegen, 
und an der Türe steht ein langer Mann mit einem ellenlangen 
schwarzen Barte und einem großen Lichte in der Hand. Zugleich 
wird es auch hinter ihm helle, und wie er sich umsieht, ist der ganze 
Tisch besetzt mit Lichtern, Trinkkannen und Humpen, und rings- 
herum setzen sich die kleinen Männlein und werden plötzlich lang 
und immer länger und haben große schwarze Bärte und schwarze 
Aläntel, weißgeschlitzte Wämser und auf dem Kopfe braunschweigische 
schwarze Hüte mit Hahnenfedern und güldenen Borten und es will 
den Junker bedünken, als wären etliche seiner Zechbrüder darunter, 
mit denen er den ganzen Tag getrunken. Sie grüßen ihn auch 
einer nach dem andern, heben die Humpen, trinken und rufen ihm 
zu, der eine: „Hans, es gilt dir“, der andere: „Hans, tu Bescheid“, 
ein dritter: „hast du heut können saufen, Hans, so khannst du auch 
jetzt mit uns saufen", ein vierter: „mußt saufen, Hans, oder wir
	        
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