Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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Leiche wäre, und den Mühlberg herauf kommt ein langer, langer 
Leichenzug, immer näher und näher, bis er endlich vor des alten 
Schneiders Haus anhält. Es dauert auch nicht lange, so kommt 
die Schule und die Geistlichkeit, mit dem Kreuze voran, stellen sich 
neben der Bahre auf, singen zwei Lieder und eine Arie, und dann 
setzt sich der Zug in Bewegung nach dem Kirchhofe zu. Der Alte 
kann die Leichenbegleiter alle erkennen, Vettern, Nachbarn, Ge- 
vattern, ja sogar sich selbst und seine Ehehälfte darunter, sich selbst 
dicht hinter dem Sarge und mit weinenden Augen. Da ward's 
ihm doch ein wenig bange und er wäre gern fortgegangen; aber es 
fiel ihm noch zu guter Zeit das Halsumdrehen ein. Wie er nun so 
recht trübselig da stand und träumerisch hinausblichte, sah er aus 
einem Hause ein Flämmchen herausfahren, dann aus einem andern, 
dann wieder eins und wieder eins, und zuletzt Kam fast aus jedem 
Hause ein Flämmchen gefahren, und das, wußte er wohl, bedeutet 
Feuer. Da konnte er sich denn doch nicht mehr halten, sprang aus 
dem Kreise, und — es schlug eins! Als er indessen wieder herunter- 
kam, war seine alte Ehehälfte eingeschlafen; er wechte sie auch nicht 
erst auf, sondern ließ die Arbeit sein und legte sich nieder, konnte 
aber nicht schlafen, war früh verstimmt, ging auch nicht in die 
Metten, sondern saß still und traurig daheim. Als er nach einigen 
Tagen den Wächter traf, tat dieser sehr geheimnisvoll und beklommen 
und meinte: „Meister, Meister! 's wird ä schlecht Jahr für Euch 
und für uns all'! Der liebe Gott behüt' uns und die Stadtl! mehr 
darf ich nit sagen: aber wachet und betet, daß ihr nicht in An- 
fechtung fallet!“ Der hatte auch gehorcht, und so noch andere. — 
Es dauerte auch nur wenig Wochen, da starb des alten Schneiders 
Bruder, der Müller drunten in der Bochmühle. Es wurde zur 
Leiche gelauten, den Mühlberg herauf kam ein langer Zug, der vor 
des Alten Haus anhielt. Es kham die Schule und die Geistlichkeit 
voran, die stellten sich auf, sangen dieselben zwei Lieder und dieselbe 
Arie, dieselben Leute gingen hinter dem Sarge her, der Alte mit 
entblößtem Haupte und weinenden Auges. Der alte Wächter aber 
stand am Kirchhoftore, sah den Alten verständnis= und geheimnis- 
voll an, und weinte so heftig, daß die Leute garnicht begreifen 
konnten, wie ihm der Tod des Bochmüllers so zu Herzen gehen 
könne. Der hatte aber seinen guten Grund, traurig zu sein, denn 
er wußte, was geschehen würde. Es geschah auch. In demselben
	        
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