— 238 —
300. Die zwölf Apostel und das Kreuz der Kirche zu
Ebersgrün.
Gräße, Bd. II, Ar. 641 und Eisel, Ar. 528; metrisch behandelt von
Hager a. a. O., H. I, S. 5 ff.
Im Glockenturme der Kirche zu Ebersgrün stehen in einer
Halle die Bilder der zwölf Apostel, die sich früher am Altar be-
fanden und nach der Einführung der Reformation dort beiseite ge-
setzt wurden. Jedermann hatte eine Art Scheu vor diesen Figuren,
weil man sagte, wer dieselben verspotte oder anrühre, habe schwere
Rache zu gewärtigen. Einst half ein Bauerjunge dem Küster läuten,
und als er fertig war, hatte er die Frechheit, den einen der Apostel
am Barte zu zupfen und dem heiligen Petrus gar eine Ohrfeige
zu verabreichen. Das bekam ihm aber schlecht; in derselben Nacht
um die zwölfte Stunde stand der heilige Mann in Lebensgröße
vor seinem Bette und gab ihm dieselbe wieder, aber so, daß ihm
nicht bloß Hören und Sehen, sondern auch das Leben verging.
Seitdem hat niemand die Zwölfe wieder zu beleidigen gewagt.
Auf der mit Wall und Graben umgebenen (ehemaligen)
Wallfahrts-Kirche befindet sich neben den Figuren auch ein alter-
tümliches Kreuz; dies darf nicht weggenommen werden, denn also-
fort würde es in der Kirche zu spuken anfangen.
301. Die Christmette in der Totenkirche zu Elsterberg.
Gräße, Bd. I, Ar. 625; nach Köhler, Aberglauben usw., S. 530.
Vor etwas mehr als zweihundert Jahren trug sich in Elster-
berg folgendes zu: Ein Bürger von Elsterberg trug am Weihnachts-
heiligenabend ein Viertel Weizen in die Mühle. Etwa um 10 Uhr
ging er mit dem erhaltenen Mehle wieder nach Hause. Sein Weg
führte ihn an dem Gottesacker und der Totenkirche vorüber, in
welcher damals nachts um 12 Uhr Christmette gehalten wurde.
Da bemerkte der Bürger zu seinem Erstaunen, daß die Kirche schon
um 10 Uhr hell erleuchtet war. Er legte sein Mehl ab, ging hin
zur Kirche, wagte sich zur Türe herein und erblickte in der Kirche
eine Menge Verstorbene, die das Lied sangen „Herr Jesu Christ,
wahrer Alensch und Gott.“ Unter diesen Wesen mit hohläugigen,