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318. Der gespenstige Leichenzug zu Wurzen.
Gräße, Bd. II, Nr. 393; Schöttgen, S. 678 ff.
Die Nacht vor dem Johannistage des Jahres 1706 hat
Meister Christian Lose in seinem Hause auf dem Krostigal (so hieß
nach dem Namen einer adeligen Familie seit 1340 die lange Gasse,
welche hinter der Wenzelskirche anfängt und bis zur Mulde geht)
zum Fenster hinaus gesehen, und es ist ihm vorgekommen, als
wenn eine Leichenprozession den Krostigal heraufkäme und um die
Ecke nach der Stadt zu ginge. Solches hat er gleich darauf dem
Türknecht Balthafar Mlünch auf dem Kirchwege gesagt, der ihn so-
gleich erinnert, ob er nicht etwa den Tag zuvor zu Biere gewesen
und also durch die Hülsen gesehen, allein er ist beständig bei seiner
Rede geblieben, daß er gewiß etwas gesehen. Man hat auch auf
der Fähre nachgefragt, ob nicht etwa eine vornehme Leiche durch-
passiert sei, niemand hat aber etwas daselbst davon wissen wollen.
Allein im Monat August kam eine schwere Ruhr nach Wurzen,
welche innerhalb sechs Wochen 70—80 Personen von jedem Alter
wegraffte.
319. Spuk in der Kirche zu Schweta.
Aach Gräße, Bd. I, Nr. 333; Sickel a. a. O., Bd. I, S. 21.
Der 1304 zu Schweta bei Mügeln gestorbene Herr von Saal-
hausen war in seinem Leben ein roher Miensch gewesen, der im
Jähzorn manchen Mord auf sich geladen. Einige Zeit vor seinem
Ende hat er sich jedoch bekehrt und ist ein Rirchlich gesinnter und
mildtätiger Mensch geworden. Noch in seinem letzten Willen hat
er sich tief gedemütigt. (Vergl. Nr. 112 .)
Weil nun aber der alte Ritter als Katholik auf die guten
Werke baute, hat er vor seinem Tode noch befohlen, es solle alle
Sonntage ein altes Bußlied von fünf Versen: „Aimm von uns,
Herre Gott, all unsere Sünd und Missetat usw.“ in der Kirche zu
Schweta bei Anfang des Gottesdienstes gesungen werden, welches
auch in dem alten Dresdner Gesangbuch (S. 350) abgedruchkt ist.
Aun ist Ende des 17. Jahrhunderts ein Pastor nach Schweta ge-
kommen, der von dieser Stiftung nichts wußte, also nach seinem