Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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376. Der Binsenschnitter im Vogtlande. 
Eisel, Sagenbuch des Vogtlandes, Ar. 550. 
Der Binsenschnitter (auch Billsen-, Bilmen-, Bilverschnitter usw.) 
geht an gewissen Tagen des Jahres (Johannistag oder Walpurgis) 
früh vor Sonnenaufgang quer durch die Kornfelder. Er hat dabei 
einen aparten Hut (ein eigenes dreieckiges Hütchen) auf, und an den 
Fußzehen sind sichelförmige kleine Scheren angebunden. Man sieht 
es solchen Feldern gleich an, was mit ihnen geschehen, denn in der 
Richtung, in der es durchschritten wurde, sind alle Halme abge— 
schnitten. Von solchen Feldern erntet man keine Ahren, der Binsen— 
schnitter behält sie für sich (nach anderen erhält er nur die Hälfte 
des Ertrages). Dieser Erwerb ist für den Binsenschnitter nicht ohne 
Gefahr, denn wird er auf seinem Gange von jemandem angeredet 
oder nur gegrüßt, so muß er noch in diesem Jahre sterben. Um- 
gekehrt soll auch der sterben müssen, der zuerst vom Binsenschnitter 
angeredet wird. Geht der Billmenschnitter durch eine Kuhherde, so 
gibt sie alsbald Blut statt Milch. 
Biele wissen es zu bewirken, daß ihre Felder vom Binsen- 
schnitter verschont werden. An vielen Orten werden an den vier 
Ecken des Feldes unter Segenssprüchen kleine Gruben gemacht und 
allerlei darein vergraben; alles dies muß vor Sonnenaufgang ge- 
schehen, und man wählt besonders den Karfreitag und den ersten 
Osterfeiertag dazu aus. Andere sichern ihre Felder dadurch, daß sie 
sie mit einem Segen, den sie dabei sprechen, umgehen oder daß sie 
die Ränder des Feldes zuerst besäen. (Alle, die es in diebischer 
Absicht betreten, werden dadurch festgemacht.) 
Endlich vermag man auch den zu ermitteln, der als Binsen- 
schnitter durchs Feld gegangen ist. Man braucht nur die Stoppeln 
der von ihm abgeschnittenen Halme mit den Wurzeln nach oben in 
den Rauchfang zu hängen. Wie diese in der Esse verdorren, so soll 
auch der Binsenschnitter vertrockhnen. 
377. Der Getreideschneider im Erzgebirge. 
Am Johannisabende in der sechsten Stunde kommt der so- 
genannte Getreideschneider, der über die Ecke eines Stückes Getreide
	        
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