Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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gebrochene Fichte, die just über den Weg lag, drei Kreuze schneiden, 
der wilde Jäger sei ihr auf dem Fuße und der sei ihr Feind und 
werde sie töten. Das alles war das Werk eines Augenblicks, und 
alsbald hatte der Bursche auch mit seinem Messer die drei Kreuze 
in den Baumstamm geschnitten, und war selbst mit dem fremden 
Weibchen darunter gekrochen, als auch schon das wilde Heer ankam. 
An den drei Kreuzen aber hatte die Macht des wilden Jägers eine 
Schranke; er zog fluchend und wetternd zurück und das Holzweibchen 
war gerettet. Dasselbe gab seinem Helfer einen grünen Zweig aus 
seinem Körbchen, dankte gar geheimnisvoll und — war verschwunden. 
Dem Burschen war's noch ganz wirbelig und drehend im Kopfe 
von all dem Spuk, aber so viel war ihm doch klar, daß das graue 
Mütterchen, wenn es einmal etwas schenken wollte, sich schon ein 
wenig mehr hätte angreifen können. Mißmutig wollte er den 
Zweig wegwerfen, besann sich aber doch noch und steckte ihn zum 
Andenken an das sonderbare Erlebnis auf seine Mütze. Wie er nun 
frisch weiter schritt, da ward ihm sein Mützlein immer schwerer und 
schwerer, und als er es endlich abnahm, da war der Zweig ge— 
wachsen, und was war's überhaupt für ein Zweig geworden? Gelbe 
glitzernde Blätter waren dran, und wuchsen immer noch mehr, daß 
ihm schier Sehen und Denken und am Ende die Lust, weiter zu 
wandern, verging. Er kehrte um, ohne eigentlich zu wissen, warum, 
und war noch vor Abend wieder daheim. Was die alte Mutter 
sich wundern mochte! Der Tochter des Aachbars aber war's eben 
recht, denn: Wiederkommen bringt Freude. 
Der wilde Jäger hatte wohl Ursache, das Holzweibchen zu 
verfolgen, denn dasselbe hatte in seinem Garten von dem wunder— 
baren Goldbaume sich ein Körbchen der besten Zweige geholt. Davon 
hatte nun der Bursche einen bekommen, und der trieb immer neue 
Blätter. Die Blätter schüttelte unser Holzhauer ab und verkaufte 
sie in den Städten, wo sie noch heute von den schönen Damen als 
Schmuck getragen werden. Aun konnte er seines Aachbars Kind 
heiraten, und sie mögen sich wohl auch ein gar hübsches Haus 
gebaut haben. Das Goldbäumchen aber ist mit der Zeit eingegangen; 
vielleicht hat sich's auch das Holzweibchen wieder geholt, vielleicht auch 
der wilde Jäger selber.
	        
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