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erzählt. In der Heidenzeit hatten sich zu Eschdorf schon Christen
angesiedelt, bei denen Tanz und Spiel gerade so Mode war, wie
in unsern Tagen. Aun fand sich bei dergleichen Festen oft ein
wundervoll schönes, allen unbekanntes Mädchen ein, das äußerst
knapp und reinlich gekleidet war, aber immer an ihrem Kleide
einen nassen Saum hatte, als sei sie über tauige Wiesen gegangen.
Neid und Aeugierde plagte die Dorfbewohnerinnen gewaltig, zu er-
forschen, wer wohl die fremde Tänzerin, die allen jungen Burschen
den Kopf verdrehe, sein möge; allein niemandem gelang es, den
Schleier, der über ihrem geheimnisvollen Kommen und Gehen ruhte,
zu lüften, bis das Mädchen einmal einem hübschen Jüngling auf
vieles Bitten erlaubte, sie nach Hause zu begleiten. Das Mägdlein
führte ihn über den Gückelsberg nach dem Rossendorfer Teiche, der
damals ein großer See war, und an dem Ufer angelangt, wollte
sie von ihrem Begleiter Abschied nehmen; da derselbe aber noch
nicht scheiden mochte, so sprach sie: „Aun wohl! heute nacht ist
mein Vater nicht daheim, du magst mich also in unsere Hütte be—
gleiten, kommt aber jener zurück und findet dich, so ist es um uns
beide geschehen.“" Der Jüngling ließ sich indes nicht abschrecken,
sie schlug also mit einer Rute ins Wasser und siehe, das Wasser
teilte sich, so daß sie auf einem schmalen Pfade trochenen Fußes die
Insel in der Mitte des Gewässers erreichen konnten. Hier an-
gekommen, schlug das Mädchen abermals in das Wasser, und als-
bald war der Pfad wieder verschwunden. Als der Morgen dämmerte,
fing auf einmal der See zu brausen an; da rief die Aixe voll
Schrechk: „Schnell verstecke dich, mein Vater kommt, sonst sind wir
verloren.“" Kaum hatte sie ihren Liebhaber in einen dastehenden
Bachtrog gestecht, so trat ein riesiger Greis in die Hütte, die Tochter
sprang ihm entgegen und suchte durch Liebkosungen ihre Angst zu
verbergen; der alte A#x aber schnopperte überall herum und sprach
finster: „Es riecht mir hier nach Christen."“ Da entgegnete das schlaue
Mädchen: „Wo sollen denn hier Christen hertommen? JIch rieche aber
vielleicht nach Christen, denn ich gestehe, daß ich in Eschdorf ein
wenig in deiner Abwesenheit zu Tanze war.“ Der Alte schalt sie
zwar etwas aus, allein er ließ sich doch endlich beruhigen, suchte
nicht weiter, sondern warf sich auf sein Schilfbett, und bald ver-
RKündete ein heftiges Schnarchen, daß er entschlafen war. Als nun
die Aixe ihrer Sache gewiß zu sein meinte, holte sie ihren Tänzer
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