Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

— 385 — 
Männlein aber war niemand anders als der Wassermann selber. 
Dieser zeigte auf das Wehr, und das machte den Meister noch 
trauriger. Doch der Wassermann wußte auch Hilfe, und er 
sprach, daß er das Wehr in Ruhe lassen wollte, falls ihm der 
Meister seinen Wunsch zusage. Er verlangte nämlich, daß die erste 
Seele, die nach des Wehres Fertigstellung in dessen Nähe ins 
Wasser ginge, ihm gehören sollte. Das hatte der Meister endlich 
versprochen und deshalb befohlen, daß sich alle zu baden hätten, 
wenn das Wehr vollendet sein würde; und hierzu setzte er noch 
eine bestimmte Stunde fest und ging darauf hinweg. Das Wehr 
aber wurde zeitiger fertig und die müden Arbeiter begaben sich in 
das laue Gewässer, daß sie sich die Glieder erquickten, und siehe, 
des Meisters Sohn war unter ihnen. Der Vater aber dachte, daß 
derselbe irgendwo anders sei. Und gerade diesen verlangte der 
Wassermann als erstes Opfer der väterlichen Ubereilung — der un- 
glüchkliche Sohn versank! Blut und große Blasen wirbelten gerade 
aus der Tiefe auf, als der Bater zum Wehre hinkam. Da sprang 
der Vater seinem Sohne nach und blieb auch in der Tiefe. Dies 
war das zweite Opfer, welches der Wassermann in diesen Gewässern 
forderte. Doch hat seine grobe Herrschaft dann bald geendet, denn 
auch hier hat man ihn später vertrieben. Das Wehr aber steht 
noch bis zum heutigen Tage, und das Wasser rauscht mächtig über 
dasselbe hin. 
506. Der Wassermann begehrt den Sohn einer Witwe. 
Luziéan 1867, S. 29, übersetzt von Dr. Pilk. 
Bei dem steinernen Wehre hinter Guttau befanden sich am 
Ende des 18. Jahrhunderts Fischhälter. Jetzt aber ist dort nichts 
mehr von ihnen zu sehen, sondern an dessen Stelle spiegeln sich 
goldene Ahren in der nahen Tiefe. — Bei den Hältern stand auch 
ein Haus, in welchem einst ein Fischer wohnte. Zuletzt aber be- 
wohnten dieses alte Gebäude zwei arme Witwen, und eine von 
ihnen hatte auch noch ihren Jungen bei sich. Der Wassermann 
aber hatte die Herrschaft in den nahen Gewässern. Niemand durfte 
seine Gesetze übertreten, und diese waren manchmal seltsam genug. 
Doch wen er lieb hatte, dem erzeigte er sich gnädig und teilte mit 
ihm seine Wassergaben. So schloß er auch Freundschaft mit den 
Meiche, Sagenbuch. 25
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.