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Männlein aber war niemand anders als der Wassermann selber.
Dieser zeigte auf das Wehr, und das machte den Meister noch
trauriger. Doch der Wassermann wußte auch Hilfe, und er
sprach, daß er das Wehr in Ruhe lassen wollte, falls ihm der
Meister seinen Wunsch zusage. Er verlangte nämlich, daß die erste
Seele, die nach des Wehres Fertigstellung in dessen Nähe ins
Wasser ginge, ihm gehören sollte. Das hatte der Meister endlich
versprochen und deshalb befohlen, daß sich alle zu baden hätten,
wenn das Wehr vollendet sein würde; und hierzu setzte er noch
eine bestimmte Stunde fest und ging darauf hinweg. Das Wehr
aber wurde zeitiger fertig und die müden Arbeiter begaben sich in
das laue Gewässer, daß sie sich die Glieder erquickten, und siehe,
des Meisters Sohn war unter ihnen. Der Vater aber dachte, daß
derselbe irgendwo anders sei. Und gerade diesen verlangte der
Wassermann als erstes Opfer der väterlichen Ubereilung — der un-
glüchkliche Sohn versank! Blut und große Blasen wirbelten gerade
aus der Tiefe auf, als der Bater zum Wehre hinkam. Da sprang
der Vater seinem Sohne nach und blieb auch in der Tiefe. Dies
war das zweite Opfer, welches der Wassermann in diesen Gewässern
forderte. Doch hat seine grobe Herrschaft dann bald geendet, denn
auch hier hat man ihn später vertrieben. Das Wehr aber steht
noch bis zum heutigen Tage, und das Wasser rauscht mächtig über
dasselbe hin.
506. Der Wassermann begehrt den Sohn einer Witwe.
Luziéan 1867, S. 29, übersetzt von Dr. Pilk.
Bei dem steinernen Wehre hinter Guttau befanden sich am
Ende des 18. Jahrhunderts Fischhälter. Jetzt aber ist dort nichts
mehr von ihnen zu sehen, sondern an dessen Stelle spiegeln sich
goldene Ahren in der nahen Tiefe. — Bei den Hältern stand auch
ein Haus, in welchem einst ein Fischer wohnte. Zuletzt aber be-
wohnten dieses alte Gebäude zwei arme Witwen, und eine von
ihnen hatte auch noch ihren Jungen bei sich. Der Wassermann
aber hatte die Herrschaft in den nahen Gewässern. Niemand durfte
seine Gesetze übertreten, und diese waren manchmal seltsam genug.
Doch wen er lieb hatte, dem erzeigte er sich gnädig und teilte mit
ihm seine Wassergaben. So schloß er auch Freundschaft mit den
Meiche, Sagenbuch. 25