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„Ei, sagt mir doch, wie heißt sie?“ Als man ihm nun meldet, die
und die sei es, da erschrickt er und spricht: „Ei, das ist meine
Braut, mit der ich mich, ehe ich vor zwei Jahren in die Fremde
ging, ordentlich versprochen habe; ihrethalben komme ich so zeitig
wieder hierher; es kann nicht sein, und wenn sie es ist, muß ich
sie noch einmal im Sarge sehen, sie mag auch die Pest noch so
arg gehabt haben.“ So geht er auf den Kirchhof, verlangt von
den Totengräbern die Offnung des Sarges, welches sie ihm aber
ein für alle Male, weil es in der Pest nicht Mode sei, abschlagen.
Er aber besteht auf seinem Verlangen, überwältigt die Totengräber,
reißt nebst einigen Leuten, die sich zu seiner Hilfe für angebotenes
Geld finden, den Sarg mit Gewalt auf, erkennt seine Verlobte
ganz wohl, sieht aber mit Tränen und Erstaunen, wie ihre Hände
und Füße gebunden, ein starker Knebel in den Mund gesteckt ist
und sie noch lebt. Die Totengräber sehen, daß sie nunmehro ver-
raten sind und ziehen sogleich ab, das Mädchen wird aus dem
Sarge genommen, nach Hause geführt und wieder ins Leben ge-
bracht und soll bald darauf auch ihren Bräutigam, der ihr das
Leben erhalten, geheiratet haben. Am 28. Oktober des Jahres 1582
aber sind die Totengräber zu Großzschocher mit glühenden Zangen
zerrissen, gerädert und aufs Rad geflochten, ihre zauberischen Weiber
und Schwiegersöhne aber, so mancherlei und erschrechliche Wetter
gemacht und mit dem Teufel gebuhlt, sind auf den Scheiterhaufen
gesetzt und verbrannt worden.
Bald darauf ist auch der Totengräber in Leipzig justifiziert
worden, weil er nebst seinem Knechte gleichergestalt drei Giftpulver
von Kröten, Schlangen und Molchen zugerichtet, deren eines schwarz,
das andere gelb, das dritte rot gewesen, damit er, der Mieister,
22 Personen vergeben, der Knecht aber sechs getötet hat.“
660. Schlichtriel, der Hexenmeister.
Archiv des Vereins für Sächsische Volkskunde; mitgeteilt von Gutsbesitzer
A. Werner, Mittweida.
Zu Mittweida lebte vor langen Jahren ein Mann, der mehr
als Brot essen konnte; Schlichtriel war sein Mame. Sein Haus
UAhnliche Geschichten von Totengräbern siehe bei Schöttgen, Historie
von Murzen, S. 667; M. Zeiller, Iltiner. German., S. 520. Vgl. auch
hier Ar. 649, 650.