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668. Der Hexenmeister zu Rosenthal.
Dr. Lincke in: Uber Berg und Tal, Bd. VI, S. 216.
Vor ca. 40 Jahren lebte in Rosenthal bei Königstein ein
Revierförster, der mehr als Brot essen Kkonnte. Wenn er z. B. aus
dem Fenster herausgeschossen hatte, so bezeichnete er die Stelle, wo
das getroffene Wild lag; man brauchte es bloß hereinzuholen. Er
liegt im Friedhof von Rosenthal an der Mauer nach dem Gasthofe
zu begraben; eine Stelle seines Grabes soll immer offen bleiben.
Als er gestorben war, kam, wie ein gewisser H. erzählte, der
dabei war, eine vierspännige Kutsche gefahren; als die Leute
aber nachsahen, war niemand darin.
0 669. Der Aeukircher Buschmüller.
Pilk im „Sächsischen Erzähler“ (Bischofswerda), Belletristische Beilage vom
18. August 1894.
Ein früherer Besitzer der Buschmühle zu Oberneubirch ver-
stand, so erzählt sich vielfach das Volk, die schwarze Kunst. Er ver-
wahrte in seinem Tischkasten das sechste und siebente Buch Mosis,
aus welchen er sein unheimliches Wissen schöpfte. Vornehmlich be-
saß er die Gabe des sogenannten zweiten Gesichts. Mochte er sich
im verborgensten, dunkelsten Winkel aufhalten, so sah er doch ge-
nau, was irgendwo an einem Punkzte, selbst in weiter Ferne, sich
ereignete. Einst lag der Hexenmeister an einem finstern Herbstabende
in dem Raume hinterm Ofen, den man „die Hölle“ zu nennen pflegt.
Da rief er plötzlich, ohne die Augen zu öffnen und ohne sich auf-
zurichten: „Lauft hinaus und jagt die Apfeldiebe fort!“ Die Mühl-
knappen eilten sogleich nach dem Obstgarten und gewahrten wirk-
lich zwei fliehende Gestalten, welche eben einen Baum hatten plün-
dern wollen. Ein andermal war der Buschmüller Sonntags zur
Kirche gegangen, wie er oft zu tun pflegte. Da geriet daheim sein
Knecht über das Zauberbuch im Tischkasten, nahm es heraus und
las neugierig darin. Auch dieses merkte der Mieister sofort in der
Kirche. Er erhob sich und sagte im Weggehen zu seinem Nachbar:
„Ich muß nach Hause, sonst wird mein Knecht umgebracht.“ Und