Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

— 561 — 
fohlen. Als dieser nun nicht alsobald den Befehl vollzogen, sondern 
in der Stube eine Zeitlang stehen blieb, hat er ihn aus zornigem, 
ergrimmtem Gemüte verwünscht und gesagt: „Ei so stehe, daß du 
nimmermehr fortgehen könntest!“ Auf diesen Fluch und Verwünschung 
des Vaters ist der Knabe auch stracks stehen geblieben, daß er nicht 
von der Stelle kommen konnte, hat auch drei Jahre ganz auf der— 
selben Stelle gestanden, also daß er eine tiefe Grube in die Diele 
getreten und man ihm des Aachts, wenn er schlafen wollte, ein 
Pult untersetzen mußte, damit er den Kopf und die Arme darauf— 
legen und ein wenig ruhen konnte. Weil aber die Stelle, da er 
gestanden, nicht weit von der Stubentür beim Ofen, und den Leuten, 
die in die Stube gegangen, gleich im Anlaufe gewesen, so haben 
die Geistlichen bei der Stadt auf ihr vorhergehendes, fleißiges Gebet 
ihn von dem Orte aufgehoben und gegenüber in den andern Winkel 
der Stube glücklich und ohne Schaden, wiewohl mit großer Mühe, 
gebracht, denn wenn man ihn sonst forttragen wollen, ist er alsbald 
mit unaussprechlichen Schmerzen befallen und ganz wie rasend 
worden. An diesem Orte, sobald man ihn wieder niedergesetzt, hat 
er ferner bis ins vierte Jahr gestanden und die Diele noch tiefer 
durchgetreten als zuvor, da man denn einen Vorhang um ihn ge— 
schlagen, daß ihn die Aus- und Eingehenden nicht so sehen können, 
welches auf seine Bitte geschehen, weil er am liebsten allein gewesen 
und wegen steter Traurigkeit nicht gern viel geredet. Endlich hat 
der gütige Gott ihm die Strafe in etwas gemildert, so daß er das 
letzte halbe Jahr sitzen, sich auch ins Bette, so neben ihn hingestellt 
worden, legen können. Wenn ihn jemand gefragt, was er mache, 
hat er gemeiniglich geantwortet, er werde von Gott dem Herrn 
seiner Sünden wegen gezüchtigt, setze alles in dessen Willen und 
halte sich an das Verdienst seines Herrn Jesu Christi, auf welches 
er hoffe selig zu werden. Hat sonst ganz elend ausgesehen, ist blaß 
und bleich von Angesicht und hager und schmächtigen Leibes, auch 
sehr mäßig in Essen und Trinken gewesen, daß man ihm oft die 
Speisen einnötigen müssen. Nach verflossenen sieben Jahren ist er 
dieses seines betrübten Zustandes den 11. September 1552 ent- 
bunden worden und im wahren Bekenntnis und Glauben an den 
Herrn Christum eines natürlichen, vernünftigen Todes, nicht aber 
an der Pestseuche, wie einige geschrieben, gestorben. Die Fußstapfen 
hat man nach langer Zeit an beiden Orten im gedachten Hause in 
Meiche, Sagenbuch. 36
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.