Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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der Türpfoste hing, und schlug klirrend an. Die Frau erschrak, 
zumal der Scharfrichter sehr ernst dreinblickte. Auf die Frage der 
Gekommenen, was dies zu bedeuten habe, antwortete Hermann ein— 
silbig: „Aichts Gutes!“ und schwieg beharrlich. Endlich nach vielen 
Bitten erklärte er der Frau: „Das Klirren des Richtschwertes be— 
deutet, daß das Kind, mit dem Sie schwanger gehen, einst durch 
dasselbe sterben wird.“ Die bestürzte Frau fragte: „Läßt sich da— 
gegen nichts tun?“ „O ja,“ erwiderte der Scharfrichter, „bringen 
Sie mir das Kind später einmal her!“ Dies geschah. Hermann 
legte den Kleinen auf einen Tisch, nahm dann das Richtschwert 
von der Wand herab und ritzte mit der äußersten Spitze desselben 
das Kind kreuzweise in die Fußsohlen, bis je ein Tröpfchen Blut 
herausrann. Darauf sagte er zu der Mutter: „Aun ist es gut. 
Sie können getrost gehen. Der Zauber ist behoben.“ Und das 
Kindlein ist ein braver Mensch geworden und im hohen Alter eines 
natürlichen Todes gestorben. 
735. Feuersegen zu Budissin. 
Gräße, Rd. II, Nr. 765; Hr. Scholze bei Klar a. a. O., S. 101 ff. 
I. Zu Anfang des 17. Jahrhunderts kam eine wandernde 
Zigeunerfamilie nach Budissin und suchte, da fast alle eine Krank- 
heit befallen hatte, ein Obdach auf einige Tage. Die Mutter mit 
ihren zwei kranken Kindern ging von Haus zu Haus, um die 
Herzen der Einwohner zu bewegen, und der Vater lag auf einer 
Steinbank am Tore. Allein Rkaum gelang es den Armen, einige 
geringe Gaben zu erhalten; sie aufzunehmen bezeigte niemand Lust, 
und so mußten sie dem kranken Vater leider alle Hoffnung auf 
Obdach in der feuchten Herbstnacht rauben. Traurig, vor Kälte 
zitternd, saßen sie nun am Tore, da schritt ein Mann vorüber, der 
selbst arm und dürftig aussah. Dieser fragte sie, warum sie so 
klagten, und als sie ihm ihre Mot gestanden, da führte er sie mit 
den Worten: „Uun kommt nur mit mir!“ in seine schlichte Woh- 
nung in der Goschwitz unfern der äußern Ringmauer der Stadt. 
Er gab ihnen eine Kammer, reichte dem durchfrorenen Bater einen 
erwärmenden Trank, teilte mit den Unglücklichen sein Abendbrot 
und bereitete ihnen ein Lager aus frischem Stroh. So übte er
	        
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