Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

— 591 — 
mehrere Tage lang sein Werk der Barmherzigkeit an ihnen, bis 
sie imstande waren, ihren Weg wieder in ihre Heimat, nach Ungarn, 
fortzusetzen. Ehe sie Abschied von dem menschenfreundlichen Manne 
nahmen, sprach der genesene Zigeuner zu ihm: „Wir wollen nicht 
undankbar von dieser Stätte gehen, sondern ein bleibendes Zeichen 
zurücklassen. Von dieser Stunde an wird dieses Gebäude kein 
Raub der Flammen werden, und wenn auch die ganze Stadt in 
Schutt und Asche verwandelt würde, so wird doch kein Feuer 
dieses Haus anfassen!“ Damit murmelte er den sogenannten Feuer— 
segen und zog von dannen. Zwar glaubte anfangs der Besitzer 
des Hauses den Worten des Zigeuners nicht, allein bald ward er 
eines andern belehrt und erfuhr zu seinem nicht geringen Staunen, 
daß der Fremdling Wahrheit geredet hatte. Nach wenigen Jahren 
ward Budissin von Wallenstein erobert und mit Raiserlichen Truppen 
besetzt; der Friedländer zog bald darauf nach Böhmen und ließ den 
Obersten von Goltz als Stadtkommandanten zurück. Dieser ließ, 
als die Sachsen vor die Stadt rückten, die Vorstädte der Stadt 
in Brand stecken, ein widriger Wind jagte das Feuer in die innere 
Stadt und bald stand diese in Flammen, nur ein unbedeutendes 
Haus in der Goschwitz blieb unversehrt und das war das, welches 
die Zigeuner beherbergt hatte: die Soldaten legten mehrmals Pech- 
kränze an, konnten aber das Dach nicht in Brand bringen. Aoch 
vor einigen Jahrzehnten war es bewohnt, allein 1840 ward es wegen 
Baufälligkeit niedergerissen, der Platz geebnet und als Garten benutzt. 
II. Ahnliches berichtet eine andere Quelle (Archiv des Vereins 
f. Sächs. Volksk., Samml. Pilth). Eine Zigeunerfamilie, deren Mutter 
krank war, hatte nirgends in der Stadt Aufnahme gefunden; end- 
lich erbarmten sich die mitleidigen Insassen eines Hauses in der 
Mönchskirche der armen Heimatlosen, nahmen sie auf und pflegten 
die Kranke bis zur Wiedergenesung. Beim Abschiede sagte die 
Zigeunerin: „Liebe Leute! Wir sind zu arm, können euch nichts 
geben für eure Liebe und Güte. Eins aber wollen wir euch zurück- 
lassen: Jch will den Feuersegen über euer Haus sprechen, welcher 
100 Jahre wirken soll.“ Darauf stieg die Zigeunerin auf das 
Dach des Hauses und sprach dort die Formel. Beim Weggehen 
sagte sie noch zu ihren freundlichen Wirtsleuten: „Sollte einmal 
ein Brand bei euch entstehen, so deckt nur schnell einen Kuchen- 
deckel auf den Schornstein!“ Und der Feuersegen der Zigeunerin
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.