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mehrere Tage lang sein Werk der Barmherzigkeit an ihnen, bis
sie imstande waren, ihren Weg wieder in ihre Heimat, nach Ungarn,
fortzusetzen. Ehe sie Abschied von dem menschenfreundlichen Manne
nahmen, sprach der genesene Zigeuner zu ihm: „Wir wollen nicht
undankbar von dieser Stätte gehen, sondern ein bleibendes Zeichen
zurücklassen. Von dieser Stunde an wird dieses Gebäude kein
Raub der Flammen werden, und wenn auch die ganze Stadt in
Schutt und Asche verwandelt würde, so wird doch kein Feuer
dieses Haus anfassen!“ Damit murmelte er den sogenannten Feuer—
segen und zog von dannen. Zwar glaubte anfangs der Besitzer
des Hauses den Worten des Zigeuners nicht, allein bald ward er
eines andern belehrt und erfuhr zu seinem nicht geringen Staunen,
daß der Fremdling Wahrheit geredet hatte. Nach wenigen Jahren
ward Budissin von Wallenstein erobert und mit Raiserlichen Truppen
besetzt; der Friedländer zog bald darauf nach Böhmen und ließ den
Obersten von Goltz als Stadtkommandanten zurück. Dieser ließ,
als die Sachsen vor die Stadt rückten, die Vorstädte der Stadt
in Brand stecken, ein widriger Wind jagte das Feuer in die innere
Stadt und bald stand diese in Flammen, nur ein unbedeutendes
Haus in der Goschwitz blieb unversehrt und das war das, welches
die Zigeuner beherbergt hatte: die Soldaten legten mehrmals Pech-
kränze an, konnten aber das Dach nicht in Brand bringen. Aoch
vor einigen Jahrzehnten war es bewohnt, allein 1840 ward es wegen
Baufälligkeit niedergerissen, der Platz geebnet und als Garten benutzt.
II. Ahnliches berichtet eine andere Quelle (Archiv des Vereins
f. Sächs. Volksk., Samml. Pilth). Eine Zigeunerfamilie, deren Mutter
krank war, hatte nirgends in der Stadt Aufnahme gefunden; end-
lich erbarmten sich die mitleidigen Insassen eines Hauses in der
Mönchskirche der armen Heimatlosen, nahmen sie auf und pflegten
die Kranke bis zur Wiedergenesung. Beim Abschiede sagte die
Zigeunerin: „Liebe Leute! Wir sind zu arm, können euch nichts
geben für eure Liebe und Güte. Eins aber wollen wir euch zurück-
lassen: Jch will den Feuersegen über euer Haus sprechen, welcher
100 Jahre wirken soll.“ Darauf stieg die Zigeunerin auf das
Dach des Hauses und sprach dort die Formel. Beim Weggehen
sagte sie noch zu ihren freundlichen Wirtsleuten: „Sollte einmal
ein Brand bei euch entstehen, so deckt nur schnell einen Kuchen-
deckel auf den Schornstein!“ Und der Feuersegen der Zigeunerin