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glühenden Zangen ausgebrochen, ehe sie sich in den Scheiterhaufen
stürzte. Ein frommer Bischof nun, der jenen Brunnen ihrem Gedächt—
nis weihte, bat die Heilige, zur Erinnerung an ihre Leiden, dem
Wasser eine wundertätige Heilkraft zu verleihen, damit es vor Zahn—
weh schütze, und siehe! die Heilige soll einst in der Aacht gekommen
sein und einen Zahn von sich in den Brunnen versenkt haben, zu
dem die Christen in der Umgegend dann in reichen Scharen wall—
fahrteten. Wer sich den Mund mit seinem Wasser fülle, soll, so
sagt man, nie im Leben Zahnweh spüren.
743. Die beiden Pappeln in Plauen.
Gräße, Bd. J, Ar. 652; Unser Jahrhundert, Dresden 1847, Ar. 11.
Unterhalb der Pforte in dem damals sogenannten Gritznerischen
Garten in Plauen stehen (7) zwei Pappeln, von denen man erzählt,
daß an ihnen ehemals Schinken und Würste geräuchert wurden.
Es soll nämlich ein Leinweber gewesen sein, der einst zwei Stäbe,
an denen früher in der Esse Würste hingen, in seinen Webstuhl
zwängte. Von der Schlichte trieben die Stäbe zur Verwunderung
des Webers bald Knospen, worauf sie, in den naheliegenden Garten
verpflanzt, zu den schönsten Pappeln heranwuchsen.
744. Sage vom Entstehen des Stelzenbaumes.
Gräße, Bd. II, Nr. 686.
In dem Dorfe Thossen war einmal ein guter ehrlicher Schäfer,
der schon manchen Winter erlebt hatte, ohne daß sein Haar grau
geworden wäre, und der manchen heißen Sommer hindurch die
Schafe mit seinem Spitz treulich bewacht hatte. Aoch niemals hatte
er ein Schaf durch den räuberischen Wolf verloren, als er endlich
doch von diesem heimgesucht ward. Der Alte hatte sich ein wenig
niedergelegt, um zu schlafen, der Hund war einer Hasenspur gefolgt,
und der Wolf, der im Busche gelauert hatte, raubte zwei Schöpse,
ohne daß es jemand bemerkte. Als der Hirt am Abend heimtrieb
und der Herr unter der Türe des Schafstalles stand und die Herde