— 605 —
er über der Tat betroffen habe. Die Edelfrau übergab den An—
geklagten den Gerichten, welche ihn nach mehrfachem Verhöre, wie
hoch er auch seine Unschuld beteuerte, auf den falschen Schwur
seines Anklägers hin zum Strange verdammten.
ANach wenigen Tagen wurde das Urteil vollzogen. Unter dem
wimmernden Geläute der Sündergloche führte man den armen Lieb-
hold hinaus vor das Dorf, wo ein großer Balken mit einem Arme
oben als Galgen aufgerichtet war. Aoch einmal, ehe er in den
Tod ging, betete er zu Gott, daß er seine Unschuld rechtfertigen
möge, und dann zu den Umstehenden gewendet, rief er: „Der mich
angeklagt hat, der hat einen falschen Eid geschworen. Denn so
wahr ich unschuldig bin, so wahr wird dieser Balken, welcher mein
Galgen sein soll, nach meinem Tode anfangen zu grünen und
Zweige treiben, und Jahrhunderte hindurch als ein frischer Baum
bewundert werden.“ Hierauf wendete er sich zum Henker und litt
mit frommer Zuversicht auf jenseits den unverdienten schmach-
vollen Tod.
Und als das nächste Frühjahr kam, da gab Gott die Unschuld
Liebholds an den Tag; denn der Balken des Galgens wurde grün und
trieb Zweige, so wie es Liebhold gesagt hatte. Die Edelfrau ward
darüber voll Unruhe und gebot, den meineidigen Knecht zu ver-
haften. Aber ehe die Häscher denselben erreichten, hatte er sich im
Koberbache ertränkt. Aoch in demselben Jahre ward der wahre
Dieb entdecht; es wurden mehrere nahe am Rittergut stehende hohe
Erlen umgeschlagen, und auf einer derselben fand man ein Dohlen-
nest und darin das gestohlene goldene Kettchen der Edelfrau. Der
Galgenbaum, jetzt ein starker und hoher Baum, ist heute noch bei
Blankenhain zu sehen.
748. Die Eselswiese bei Zwickhau.
Gräße, Rd. II, Nr. 610; Ziehnert, S. 46 ff.
Südlich von Zwichau liegt eine Wiese, die man Eselswiese
nennt, nach der nüchternen Erklärung unserer Zeit darum, weil sie
den Mühleseln der Ratsmühle das Futter lieferte. Die Volkssage
weiß aber einen andern Grund des Namens anzugeben, und zwar
folgenden.