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bei Mondenschein heftig auf den Kirchen und Häusern herum, und
es war furchtsam anzuhören, wenn die Eulen in den Gärten so
jauchzten. Man merkte auch um selbige Zeit, daß ein Haufen
Elstern mit Schreien und Schnattern alle Gassen vollgemacht und
gleichsam die Post gebracht hatten, wenn räuberische Parteien kamen.
Ehe einem Hausvater sein Weib und Kind in den Wochen starb,
zogen die unter dem Dache nistenden Schwalben samt ihren Jungen
weg. Desgleichen ist in Schneeberg geschehen, daß die Stärche,
welche lange Zeit auf eines Bürgers Hause genistet, im Jahre 1688,
ehe der Bürger gestorben, davongezogen und ausgeblieben sind.
Im Jahre 1664 kamen des Nachts, ehe in Annaberg vierhundert
Häuser in Asche gelegt wurden, etliche Eulen, setzten sich auf des
Bürgermeisters Haus am Martkte und schrien gräßlich.
761. Die alte Linde auf dem Gottesacker zu Annaberg.
Köhler a. a. O., Nr. 377; Richter, Chronica der freyen Bergstadt
St. Annaberg, 1746, S. 248.
Auf dem Gottesacker zu Annaberg stehet eine große, schöne
und mit Asten stattlich ausgebreitete Linde, unter welcher der Rat
und die Vornehmsten aus der Stadt auf Stühlen zu sitzen pflegen,
wenn die Trinitatispredigt unter freiem Himmel jährlich zu Mittage
gehalten wird.
Man hat die Tradition, daß diese Linde bei folgender Ge-
legenheit umgekehrt hierher gesetzt worden sei. Ein Miarstaller all-
hier auf St. Annaberg habe einen ruchlosen Sohn gehabt, welcher
sonderlich an keine Auferstehung habe glauben wollen, daher ein
Priester sich alle MAlühe gegeben, diesen bösen Alenschen auf bessere
Gedanken zu bringen. Derselbe sei mit dem ruchlosen jungen
Burschen auf den Gottesacker gegangen und habe ihm daselbst vor-
gestellt, daß dieses das Feld des Herrn sei; wie der ausgestreute
Same auf dem Felde aufginge und herfürwachse, so würden auch
diese Begrabenen sozusagen als ein Samen wieder aus der Erde
am jüngsten Tage herfürkommen. Darauf habe dieser junge Mlensch
eine noch kleine Linde auf dem Kirchhof erblicket, solche angesehen
und zu dem Priester gesagt, so wenig als diese Linde, wenn man