Full text: Sagenbuch des Königreichs Sachsen

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Töchterchen, welches fleißig betete. Er freute sich daher, als das 
Kind schwer erkrankte. Um so größer war deshalb die Liebe, welche 
die Mutter aufbot, ihr ein und alles zu erhalten. Als am Abend 
die Mutter aus dem Stalle zu dem Kinde kam, sprach es: „Liebe 
Mutter, sieh die prächtige Rose. Ein Engel hat sie mir gebracht; 
ich sah, wie er durch die Decke herniederkam, zum Fenster hinaus— 
ging und vom Falkenberge aus gen Himmel fuhr.“ — Die Mutter 
sah die herrlichen Rosenknospen und betete. Das Kind drückte der 
Mutter die Hand und schlief ein. Am andern Morgen waren 
alle Knospen aufgeblüht, aber das Kind war tot. (Vgl. Ar. 816) 
814. Die Wunderpflanzen des Valtenberges. 
(Pilk) Der Valtenberg und seine Sagen. Bischofswerda (1894). 
Alljährlich am Himmelfahrtstage, wenn die Bevölkerung Neu— 
kirchs und der benachbarten Orte ihre uralt hergebrachte Wallfahrt 
nach dem Gipfel des Valtenberges antritt, kommen Wenden, Männer 
und Frauen, mitunter weit aus ihrer nördlichen Heimat herge— 
wandert, um auf genanntem Berge die Sprosse des Hexenkrautes 
zu pflüchen. Diese sollen Menschen und Bieh sicher machen vor 
den Schäden bösen Zaubers. 
Ebenso erscheinen am Fohannistage Wenden auf dem Valten- 
berge, um die Wurzel einer Pflanze zu graben, welche sie „SWijateje 
Maryne koruschki“ (der heiligen Maria Wurzel), die Deutschen 
hiesiger Gegeend aber „Marienbiß“" oder „Aalwurzel“ nennen. Unter 
diesem Namen ist die Weißwurz (Poligonatum multiflorum) zu ver- 
stehen. Aus der Wurzel genannter Pflanze schnitzen die Wenden 
Amuletts, welche Wohlstand und Glück verleihen sollen. Einer 
solchen „Glüchswurzel“, die als Geheimnis sorgfältig gehütet werden 
muß, gibt man ungefähr die Form eines sehr kleinen Efeublattes 
ohne Stiel, auf dessen Oberfläche eine ebensolche viel kleinere Figur 
sich plastisch abhebt. Einer der beiden Dreizache wird als die Hand 
des guten Geistes gedeutet. Eigentümlicherweise zeigt derselbe gegen- 
über der anderen, rasch verdorrenden und als Kralle des Cezert 
(Teufel) bezeichneten Figur eine auffällige Frische. Begeben sich die 
wendischen Frauen zur Stadt, um ihre ländlichen Erzeugnisse feil-
	        
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