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ganzen Wesen spricht, hemmt die Schritte ihres Verfolgers. Von
der sie plötzlich umstrahlenden überirdischen Glorie im Innersten
ergriffen, fällt er vor ihr nieder und erblindet. Die Abtissin
aber kam unangefochten nach Görlitz.
821. Die Säule bei Marienthal.
Gräße, Bd. I, Ar. 830; Mor awechk, Denksteine, S. 40 ff.
Dem Portal des Klosterhofes Marienthal gegenüber an der
Fahrstraße nach Altstadt zu befindet sich eine hohe runde Säule
von Sandstein, welche an ihrem viereckigen Piedestal ganz unleser—
liche Schriftzüge enthält. Uber die Entstehung derselben geht folgende
Sage im Munde des Volkes. Es habe einst ein sehr zorniges Ge-
witter drei Tage über dem Kloster gestanden, ohne sich zu zerteilen;
da hätten die Nonnen geglaubt, es müsse eine unter ihnen sein,
welcher der Himmel zürne. Nach gegenseitigem Befragen unter ihnen
habe es sich ergeben, daß eine junge, unlängst erst eingekleidete, zum
Klosterleben gezwungene Nonne vor ihrer Entführung ins Kloster
gesagt habe: „Ehe sie ins Kloster ginge, solle sie doch das Donner-
wetter erschlagen!“ Sie wurde sogleich aus dem Kloster geführt
und soll an dieser Stelle niedergekniet haben, um zu beten, aber
sogleich von einem Blitzstrahl getötet worden sein.
822. Von einem blutenden Totenknochen.
Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Bd. I, S. 255.
Eine Kuhhirtin zu Schönau bei Bernstadt hatte ein Uberbein,
und als ihr geraten wurde, dasselbe mit einem Totenbeine zu drücken,
holet sie ein solches (einen Unterarmschenkel) aus dem Beinhause.
Ihr Dienstherr aber nimmt ihr den Knochen weg, bevor sie mit
demselben, wie er meinte, Zauberei treiben hönnte und versteckt
denselben in einer Kammer. Einige Tage darauf findet ihn dort
die Magd, aber wie erschrak sie, als sie gewahrte, daß der Knochen