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mich ab. Und als sie die Blume abgepflückt hatte, erlosch der
Glanz derselben und der Wald war wieder dunkel wie zuvor.
Am anderen Morgen fanden Kinder, welche Beeren suchten,
das Mädchen tot mit gefalteten Händen liegen. Die Blume hatte
es zum höchsten Glück erhoben.“
826. Der falsche Schwur.
Gräße, Rd. II, Nr. 838; Lyser a. a. O., Bd. IX, S. 18 ff.
In der Oberlausitz lebte vor über 100 Jahren ein Mann,
den man im Verdacht verschiedener feiner Betrügereien hatte. Be-
sonders, so sagte man von ihm, sollten seine Betrügereien im
falschen Messen der Garten= und Feldfrüchte bestehen, mit denen er
Handel trieb. Auch seine anfänglich ehrliche Frau verleitete er zum
Betruge, und sie ward nach und nach immer geübter in dergleichen
Künsten. Einst wurde es entdecht, daß sie das Gespinst, mit dem
sie handelte, zu kurz weifte. Personen, die welches von ihr gekauft
hatten, wollten es ihr wieder zurückgeben; sie leugnete, daß dieses
kurz geweifte Gespinst von ihr sei, und endlich Ram es zu einem
Streit, den die Gerichte enden sollten. Der Frau ward der körper-
liche Eid zuerkannt, und sie schwur mit den Worten: „Gott strafe
mich und meine Nachkommen bis ins dritte und vierte Glied, wenn
ich falsch geweift habe und das kurze Gespinst mein ist.“ Sie
ward freigesprochen. Nach Jahresfrist klagte sie über heftige
Schmerzen in der rechten Hand, welche endlich von der Gicht ganz
krumm gezogen wurde. Sie gebar einen Sohn und eine Tochter,
beiden fehlte an jedem Finger ihrer Hände das letzte Glied. Jetzt
gedachte man in der ganzen Gegend des Eides, und die Frau
ward allgemein verachtet. Ihre RKinder verheirateten sich, bekamen
Kinder, und wieder fehlte diesen an jedem Finger ihrer Hände das
*Pescheck, Gesch. v. Jonsdorf bei Zittau, Zittau 1835, 8, S. 14,
berichtet, daß in einem der zwei Löcher des Schalksstein bei Jonsdorf ein
Schatz liegen soll, der nur dem beschieden ist, der in der Johannisnacht
eine wundervolle Blume auf der Spitze dieses Felsens blühen sieht. Siehe
hier Nr. 819. Eine wohl neuere Sage erzählt Lyser, Abendl. 1001 M., Bd. X,
S. 51 ff., vom Schalksteine.